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In Bassgewittern

Die positive Energie überzeugend dargestellter Militanz. Die Sängerin M.I.A. spielte am Samstag im 2Be Club und hätte beinahe einen Riot ausgelöst, als nach einer Dreiviertelstunde alles vorbei war

VON TOBIAS RAPP

Es gibt Konzerte, die lehren Demut. Das von Maya Arulpragasam alias M.I.A am Samstagabend im 2Be Club war so eins. Nicht nur für den taz-Fotografen, der nach gut der Hälfte des Saals verwiesen wurde, weil er angeblich dem Publikum im Weg gestanden hatte. Auch für den Kritiker war es das, denn irgendwie war man ja auch als Stellvertreter für all die anderen Musikjournalisten da, die sich in den vergangenen Monaten megabyteweise Gedanken über M.I.A. gemacht und sie lagerübergreifend zur interessantesten Popkünstlerin des Jahres erklärt hatten.

Mehr als den kleinen 2Be Club kriegt M.I.A. im Augenblick also nicht gefüllt, musste man dann einigermaßen ernüchtert feststellen. So eingeschränkt ist also die Macht der veröffentlichten Musikmeinung nur noch in der Lage, Menschen in Aufregung zu versetzen. Was nichts über M.I.A.s künstlerisches Projekt aussagt: Doch Deutschland hat im Augenblick anscheinend andere Sorgen als Postkolonialismus, Globalisierung und Terrorismus – Themen, die Arulpragasam aufregend wie gegenwärtig niemand sonst in Musik zu verwandeln weiß.

Wobei man einschränkend hinzufügen sollte: Eine so perfekte Diskursmaschine ist M.I.A. dann doch nicht, dass sie die Anschläge von London in ihrer Show noch mitproblematisiert hätte: Muss ja auch nicht, nur weil sie ebenfalls aus London kommt. Zumal der islamische Fundamentalismus ihr Thema auch nicht ist.

M.I.A. geht es um die Darstellung der Spannungen, die Maya Arulpragasam als Tochter eines srilankischen Guerillaführers aushalten muss, die zwischen Colombo und dem Londoner Stadtteil Acton aufgewachsen ist, sich ihren Weg von ganz unten nach oben an die renommierte Kunsthochschule St. Martins College durchgeboxt hat und das dort erworbene Wissen um zeitgenössische Darstellungsformen nun auf die Erfahrungen anzuwenden versucht, die sie zu dem gemacht haben, was sie ist.

Dafür dockt sie an die globale Basskultur des Dancehall, des Grime und des Baile Funk an und die Formensprache des HipHop. Dies kombiniert sie mit Lyrics, in denen gern und viel mit militärischen Metaphern gespielt wird und ergänzt das Ganze auf der Bühne mit einem gleichzeitig einfachen wie effektvollen Artwork: Animierte Sprühschablonenbilder von fliegenden Bombern, Steine werfenden Demonstranten und einem rennenden Tiger flackern auf einer Leinwand hinter der Bühne.

Vor den vielleicht dreihundert Zuschauern im 2Be Club fühlte sie sich sichtlich wohler als in der großen Halle des Sonar Festivals in Barcelona, wo sie vor fünftausend Leuten doch etwas verloren gewirkt hatte, so ganz allein mit DJ und Tänzerin. Wobei das eigentlich Umwerfende an diesem Konzert aber gar nicht der Auftritt als solcher war: Es war die positive Energie, die sich aus der dargestellten Militanz in Kombination mit den Bassgewittern ergab. Für Vergleichbares muss man schon zu einer Band wie Fugazi zurückgehen.

Es war keine Energie, die verzweifelt gegen etwas anrannte, wie man es von ähnlich gelagerten Projekten kennt, die versuchen, politische Militanz popkulturell in Stellung zu bringen. Dies war eine Energie, die um sich selbst kreiste, wie Arulpragasam um ihre Hüften, eine Energie, deren Kraftfeld sich nicht wie ein konzertartiger Angriff organisierte, sondern ähnlich wie ein DJ-Set: scheinbar endlos, mit Höhen und Tiefen.

Was für eine Wirkung das hatte, wurde vor allem in dem Augenblick spürbar, als es vorbei war. Denn anstatt ihr Album „Arular“ mit Füllseln voll zu packen, nur um die reguläre CD-Länge zu erreichen, ist die Platte erfreulich intensiv und kurz. Mit lauten Buhrufen und einem Beinahe-Riot reagierte das gerade noch restlos begeisterte Publikum auf den Umstand, dass M.I.A. nach einer Dreiviertelstunde schlicht und einfach keine Stücke mehr hatte, die sie hätte spielen können.

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