: Deutsche bleiben unter sich
In Bremens Verwaltungen arbeiten wenig Migrant:innen.Über ein Partizipationsgesetz, wie es Berlin hat, wird bislang trotzdem nicht nachgedacht
Von Jan Zier
Bremens Verwaltung wird nur sehr langsam diverser. Das muss der Senat auf Anfrage der Grünen-Fraktion in der Bürgerschaft einräumen.
Nach offiziellen Angaben haben 37 Prozent aller Bremer:innen einen Migrationshintergrund. Trotzdem liegt der Anteil derer, die in der Kernverwaltung Bremens oder einer ihrer Ausgliederungen arbeiten und einen ausländischen Pass haben, gerade mal bei 4,1 Prozent. Das sind 1.201 von 29.309 Beschäftigten. Zum Vergleich: 2008 lag der Anteil der Bremer:innen ohne deutschen Pass bei 14,5 Prozent – der in der Kernverwaltung und ihren Ausgliederungen bei 2,1 Prozent.
Wie viele Mitarbeiter:innen einen Migrationshintergund haben, wird statistisch nicht erfasst. Zumindest Näherungswerte sind über das „Integrationsmonitoring der Bundesländer“ möglich, dessen Daten auf der Selbstauskunft der im Rahmen des Mikrozensus befragten privaten Haushalte beruht. Demnach hatten 2019 bundesweit durchschnittlich 14,5 Prozent der Erwerbstätigen im öffentlichen Dienst einen Migrationshintergrund.
Der rot-grün-rote Senat hat den Anteil der Beschäftigten in der Bremer „Kernverwaltung“ mit ausländischer Staatszugehörigkeit ausgerechnet (alle Angaben in Prozent)
Bürgerschaft 0,0
Rechnungshof 0,0
Häfen 0,0
Justiz 0,4
Wirtschaft 0,5
Finanzen / Personal 0,6
Inneres 0,6
Kultur 0,8
Senat / Senatskanzlei 0,8
Gesundheit & Verbraucherschutz 0,8
Arbeit 1,2
Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung & Bau 1,3
Kinder & Bildung 1,7
Jugend & Soziales 2,8
Hochschule 3,4
Gleichstellung 6,3
Europa 12,5
Im Ländervergleich steht Bremen demnach sogar ganz gut da: Laut „Integrationsmonitoring hat Baden-Württemberg den höchsten Anteil an Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit Migrationshintergrund (21 Prozent); direkt darauf folgen aber schon Bremen und Hamburg (je 20 Prozent). In Schleswig-Holstein liegt die Quote bei zehn Prozent, in Thüringen und Sachsen bei nur sechs Prozent.
„Die Gesellschaft entwickelt sich dynamisch, doch die Institutionen bleiben starr“, sagte die Vorsitzende des Bremer Rates für Integration Libuše Černá jüngst bei der Tagung des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrates (BZI) in Bremen. Bislang bleibe vielen engagierten Zugewanderten nur das Ehrenamt. „Doch hier gibt es Grenzen, was Ressourcen und den Zugang zu Informationen betrifft“, sagte Černá: „Was wir brauchen ist eine relevante Vertretung von Migrant:innen in den Parteien und in der Verwaltung.“ Ähnlich äußerte sich der BZI-Vorsitzende Memet Kiliç: „Wir Zugewanderte werden mehr, aber nicht sichtbarer. Wir möchten teilhaben, mitgestalten.“
2020 wurden laut Senat 450 Menschen in Verwaltungs- oder Ausbildungsberufen des öffentlichen Dienstes neu eingestellt, ein knappes Viertel davon hat nach eigenen Angaben einen Migrationshintergrund. Anderswo ist man da schon ein bisschen weiter: In der BLG Logistics Group, die zur Hälfte Bremen gehört, hat rund ein Drittel der Beschäftigten einen Migrationshintergrund, in den Leitungspositionen ist es ein Viertel.
Bei der Tagung des BZI in Bremen war man sich einig in der Forderung nach einem Partizipationsgesetz auf Bundesebene, wie es auch die Grünen und die Linkspartei fordern. Das rot-rot-grüne Berlin geht einen Schritt weiter: Dort hat man auch ein Partizipationsgesetz auf Landesebene beschlossen, mit dem der Anteil der Menschen mit Migrationsgeschichte in den Behörden erhöht werden soll. Eine feste Quote, die zunächst noch im Gespräch war, ist darin nicht enthalten – der Berliner SPD-Innensenator hielt diesen Vorschlag für verfassungsrechtlich problematisch. Stattdessen geht es nun um Förderpläne und die gezielte Ansprache von potenziellen Bewerber:innen mit Migrationshintergrund.
In Bremen dagegen hat sich die Landesregierung mit der Frage, ob ein solches Gesetz eingeführt werden soll, noch gar nicht befasst, schreibt der Senat. Entsprechend vage ist auch der rot-grün-rote Koalitionsvertrag: „Wir wollen die interkulturelle Öffnung der Verwaltung weiter vorantreiben und prüfen, ob Bedarf und Handlungsspielraum für ein Landesantidiskriminierungs- sowie ein Partizipationsgesetz besteht.“
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