: Mehr Konzert als Kino
Für das „Sommernachtskino“ im Innenhof des Museums für Hamburgische Geschichte haben drei örtliche Häuser ein Stummfilmprogramm erarbeitet
Von Wilfried Hippen
Von Stummfilmen bleibt nicht viel übrig, wenn sie auf einem Bildschirm oder gar einem noch kleineren Format gezeigt werden. Deshalb gehören Stummfilmvorführungen – erst recht mit live gespielter Begleitmusik – immer wieder zu den garantierten Saalfüllern in Kommunal- und Programmkinos. In diesen immer noch von der Pandemiebekämpfung geprägten Zeiten sind aber Kinosäle auch dann nur halb gefüllt, wenn alle Eintrittskarten verkauft werden. Da ist es umso einleuchtender, wenn drei Hamburger Programmkinos sich nun zusammengetan haben, um an zehn Abenden draußen Stummfilme zu zeigen.
Wobei: draußen? Der Innenhof des Museums für Hamburgische Geschichte, der dieses „Sommerkino“ beherbergt, ist überdacht, es werden also keine Vorführungen wegen schlechten Wetters ausfallen müssen. Das Metropolis, das 3001 und das B-Movie haben eine abwechslungsreiches Programm kuratiert, das den Begriff „Stummfilm“ weiter fasst als üblich. So zeigt das 3001 etwa den ukrainischen Film „The Tribe“ (2014): Darin wird nicht ein Wort gesprochen, dafür durchweg in Gebärdensprache kommuniziert. Auch den Klassiker des rauschhaften Kinos – „Koyaanisqatsi“ von Godfrey Reggio – findet man selten als Stummfilm rubriziert, immerhin verstärkt die mindestens so bekannt gewordene Musik des Minimal-Music-Komponisten Philip Glass die hypnotische Wirkung von Reggios Zeitlupen- und Zeitrafferaufnahmen; die waren bei Entstehung 1982 stilbildend, sind aber längst zu stilistischen Klischees des Dokumentarfilms verkommen. Aber es wird in der zivilisationskritischen Bilderflut eben kein Wort gesprochen, insofern passt der Film in die Auswahl, die das Kino 3001 beisteuert.
Eine klassischeres Stummfilmprogramm kommt aus dem Metropolis: Da läuft „City Lights“ von und mit Charlie Chaplin, live begleitet vom Hamburger „Trio Cinématique“. Den Horrorklassiker „Das Wachsfigurenkabinett“ von Paul Leni aus dem Jahr 1924 begleiten wiederum Hans-Christoph Hartmann und Joachim Kamps an Saxofon und Klavier; zu Ernst Lubitschs Frühwerk „Die Bergkatze“ (1921) spielt der Londoner Pianist Stephen Horne.
Das Cello, die singende Säge und das Hui gehören zu den Instrumenten des Duos „Weber Wendt“, das ein historisches Hamburg-Kurzfilmprogramm musikalisch untermalt. Und zu einem surrealistischen Doppelprogramm mit Luis Buñuels „Ein andalusischer Hund“ und „Die Muschel und der Kleriker“ von Germaine Dulac gibt es avantgardistische Improvisationen an Elektronik und Gitarre von David Wallraff und ST Kirchhoff.
Mit Robert Siodmaks „Menschen am Sonntag“ (1930) und „Tagebuch einer Verlorenen“ von G. W. Pabst (1929) setzt das B-Movie auf gern gezeigte Klassiker. Aber mit „Aelita – Die Reise zum Mars“ (1924) zeigt es auch den vielleicht seltsamsten Film: sowjetische Science-Fiction mit fantastischem Design und grotesken Kostümen. Musik machen dazu nun der Hamburger DJ Phuong-Dan, die Musikerin TinTin Patrone und der Pariser Produzent D.K.
Acht Stummfilmkonzerte, 14 verschiedenen Musiker*innen: Bei dem Aufwand kann man fast von einem Konzertprogramm mit Filmbegleitung sprechen. Die Veranstaltungsreihe ist auch eine Solidaritätsaktion für die Künstler*innen, die in den letzten anderthalb Jahren kaum etwas verdient haben. So sind auch die Preise von 15 Euro – 9 Euro bei den Filmen ohne Konzert – angemessen.
Sommernachtskino: 11.–20. 8., Programm: https://shmh.de/sommernachtskino-2021, Tickets: www.metropoliskino.de
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