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Claudius Prößer bewundert die neueste Errungenschaft im Berliner RadvekehrGut gezählt ist halb informiert

Hübsch grün ist sie, die schlanke, zwei Meter hohe Säule. Sie steht am Radweg, der auf der nördlichen Seite der Straße des 17. Juni an den TU-Fachbereichen für Mathematik und Chemie vorbeiführt. Mit etwas altmodischen LED-Leuchtpunkten zeigt sie Folgendes an: Datum und Uhrzeit, die Zahl der Fahrräder, die am Tag schon vorbeigekommen sind, und die Gesamtzahl übers Jahr.

Letzteres in Form einer Säule, was ein bisschen an einen „Hau den Lukas“ auf dem Jahrmarkt erinnert. Nur, dass hier keine schnellen Ausschläge zu erwarten sind, im Gegenteil. Da die landeseigene infraVelo GmbH die Säule – sie nennt es „Fahrradbarometer“ – erst am Dienstag aufgestellt hat, hängt der Balken noch knapp über der Null. Was in Verbindung mit der Beschriftung „Fahrräder dieses Jahr“ zwar falsch ist, aber man sollte da nicht zu streng sein.

Denn immerhin: Das „Barometer“ funktioniert einwandfrei. Sobald ein Mensch vorbeipedaliert, springt der Tageszähler um, kurz vor 13 Uhr zeigt er bereits 1.216 Velos an. Nicht übel. Von der unterm Radweg verborgenen Induktionsschleife ist nichts zu sehen, allerdings erkennt die Elektronik sogar zwei nebeneinander Radelnde korrekt.

„Komplett neues Niveau“

Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) freut sich über das schicke Gadget: Es verbreite „sehr wahrnehmbar die gute Nachricht, dass immer mehr Berlinerinnen und Berliner aufs Rad umsteigen. Wir bringen dafür jetzt und in den kommenden Jahren die Radinfrastruktur in ganz Berlin mit großem Engagement auf ein komplett neues Niveau.“ In diesem Jahr stellt die infraVelo noch zwei weitere Säulen auf: am Senefelderplatz und an der Karl-Marx-Allee.

Automatische Fahrradzählstellen sind dabei nichts Neues – und auch Autos werden an mehreren Stellen gezählt – die Säule an der TU ist schon Nummer 18. Die Messungen sind auf der Website der Verkehrsverwaltung abrufbar. Viele davon zeichnen das Auf und Ab im Radverkehr schon seit 2015 auf. Dabei lässt sich das generelle, durch Corona noch beschleunigte Wachstum ebenso ablesen, wie den immer noch sehr markanten wetterbedingten Einbruch im Winter.

Neu ist, dass die „Barometer“ diese Zahlen in die Stadt hineintragen und den Radelnden direktes Feedback geben. Nur: Woran sollen die erkennen, dass es mit ihrem Fortbewegungsmittel nach oben geht? Sind 1.216 Räder am Mittag viel oder ginge da noch deutlich mehr? Wurde dieses Jahr mehr geradelt als letztes? Darüber sagt das grüne Display nichts, legt aber mit einer Obergrenze von 2 Millionen die Latte hoch: Der bisherige Rekordhalter, die Zählstelle an der Jannowitzbrücke, kommt bislang nur auf rund 1,5 Millionen Räder pro Jahr und Richtung.

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