Impftourismus während EM: Ein Stück München in Italiens Glück
Ein Münchner Arzt, der Beckenbauer heißt, impft das Personal eines Hotels, in dem die Italiener sich auf die EM vorbereiten. Kann das Zufall sein?
M ünchen kann ziemlich wehtun. Der Reichtum, der einem in der Innenstadt bisweilen ins Gesicht schlägt, ist schier nicht zu ertragen. Viele Städte dürfte es nicht geben, an deren Straßen so viele, so teure Autos stehen. Von dem, was da an den Ladesäulen für Elektrofahrzeuge hängt, leben anderswo ganze Familien mehrere Jahre lang.
Wer durch die Fußgängerzone schlendert, der schnappt schon mal Gesprächsfetzen auf, in denen es um einen Kurztripp nach Dubai geht, für den es noch einen Satz frische Hemden zu kaufen gilt. Und manchmal wird es dabei hektisch, weil der Personal Trainer wartet, der zwar irgendwie süß ist, aber eben auch sehr streng. Für die mentale Gesundheit ist es da gewiss nicht schlecht, wenn man sich einfach einen Kopfhörer aufsetzt, um etwas zu hören, was man wirklich hören will.
Dann wird man sich vielleicht immer noch fragen, was ein Arzt seinen Patientinnen wohl abknöpft, wenn er sich eine Praxis in Sichtweite des Münchner Rathauses leisten kann. Ein gewisser Udo Beckenbauer praktiziert zum Beispiel dort, womit wir zumindest indirekt beim Thema Fußball wären. Mit dem Namen Beckenbauer hat das nichts zu tun. Der Arzt ist mit dem Kaiser nicht verwandt.
Es geht um Impfungen. Der gute Herr Doktor hat im Mai einer Gruppe von über 100 Hotelmitarbeitern aus Italien eine Impfung verabreicht. Die Angestellten des Forte Village aus Sardinien flogen ein, ließen sich impfen, bekamen noch eine Halbe Bier und flogen wieder retour. Zurück auf Sardinien bereiteten sie sich auf die Ankunft der italienischen Nationalmannschaft vor, die ihre ersten teambildenden Maßnahmen vor dem Turnier in dieser Ferienanlage durchgeführt hat, in der auch schon die deutsche Nationalmannschaft des Öfteren zu Gast war.
Doch kein Regierungsausftrag
Die wilden Einlassungen des Dr. Beckenbauer, der in italienischen Medien davon schwadroniert hatte, die Impfaktion sei von der Regierung angeordnet worden, sind von seinem Anwalt wieder kassiert worden. Woher er den Impfstoff hatte und wie es sein konnte, dass er zu Zeiten, als noch scharfe Priorisierungsregelungen galten, Dutzende Italiener geimpft hat, damit beschäftigen sich jetzt Ermittler.
Vielleicht hofft der Arzt ja darauf, dass seine Impfgeschichte neu erzählt wird, wenn die italienische Nationalmannschaft tatsächlich den Europameistertitel erringt. Hätte nicht er, der Arzt aus dem Herzen Münchens, dann dazu beigetragen, dass das Team coronafrei durch das Turnier gekommen ist? Müsste man ihm nicht auch hierzulande dafür dankbar sein, weil der italienische Fußballerfolg auch mit Hilfe aus München zustande gekommen ist. Ein Orden wäre dann wohl angemessener als Ermittlungen.
Doch so, wie es aussieht, muss sich der Doktor weiterhin selbst um seinen Schmuck kümmern. Wie praktisch es da doch ist, dass er von seiner Praxis nur ein paar Schritte zur Münchner Filiale der Protzjuweliere von Tiffany und Co zu gehen hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“