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Hohe Preise für RohstoffeFirmen leiden unter teurem Holz

Ökonomen gingen von einem Lockdown-Nachholeffekt aus. Doch die Industrie erhält wohl wegen Materialmangels weniger Bestellungen und Aufträge.

Wegen hoher Stahlpreise noch teurer: Baustelle „Unter den Linden“ in Berlin Foto: Jens Büttner/dpa

Berlin taz | Eigentlich waren die Ökonomen davon ausgegangen, dass es nach den vielen Lockdown-Monaten im Winter und Frühjahr nun einen Nachholeffekt geben würde und die Industrie sich vor Aufträgen gar nicht retten könnte. Doch dem ist offenbar nicht so.

Zumindest im Monat Mai haben die deutschen Unternehmen wesentlich weniger Aufträge erhalten als erwartet. Diese sind sogar so stark eingebrochen wie seit dem ersten Lockdown vor einem Jahr nicht. Die Betriebe sammelten vor allem wegen der schwächelnden Auslandsnachfrage 3,7 Prozent weniger Bestellungen ein als im Vormonat, teilte das Bundeswirtschaftsministerium am Dienstag mit. Ökonomen hatten mit einem Anstieg von mindestens 1,0 Prozent gerechnet.

„Insgesamt bewegen sich die Auftragseingänge weiterhin oberhalb des Vorkrisenniveaus“, erklärte das Ministerium. Gemessen am Februar 2020, dem Monat vor Beginn der Einschränkungen im Zuge der Coronapandemie, würden die Aufträge um 6,2 Prozent höher liegen. Verglichen mit dem Vorjahresmonat hätten sie gar um 54,3 Prozent angezogen. Im Mai vor einem Jahr waren wegen des Lockdowns im Zuge der ersten Pandemiewelle viele Geschäfte und Betriebe geschlossen gewesen.

Ein wesentlicher Grund für den Rückgang in diesem Mai ist nach Ansicht von Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank der weltweite Materialmangel. In der Tat haben sich Stoffe wie Holz, Stahl oder Dämmmaterialien im Mai rasant verteuert. Das belegen auch Zahlen des Statistischen Bundesamts. Die Preise für Bauholz stiegen um 38,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat an, die von Konstruktionsvollholz gar um gut 83 Prozent. Auch Stahl wurde im Mai massiv teurer – um 44,3 Prozent. Lieferengpässe gibt es deshalb auch bei zahlreichen Vorprodukten, auf die viele Industrieunternehmen angewiesen sind. Das bremst wiederum ihre Auftragslage.

Hohe Energiepreise

Auch die Energiepreise sind hoch. Die Großhandelspreise für Strom haben sich an der Strombörse in Leipzig seit März 2020 mit über 70 Euro pro Megawattstunde mehr als verdoppelt. Strom ist im Großhandel so teuer wie seit rund 12 Jahren nicht. Der Ölpreis wiederum ist auf den höchsten Stand seit fast sieben Jahren gestiegen, weil sich die großen Ölförderländer innerhalb der Organisation exportierender Länder (Opec) bei ihren Verhandlungen am Montag nicht auf eine Ausweitung der Fördermenge einigen konnten.

Vor allem bei den beiden Schwergewichten USA und China brummt die Wirtschaft. Die Volksrepublik hat bereits im vergangenen Sommer als erste große Volkswirtschaft die Pandemie weitgehend hinter sich gelassen und die Gunst der Stunde genutzt, mit entsprechenden Konjunkturhilfen ihre wirtschaftliche Aufholjagd zu Europa und den USA zu beschleunigen. Mit Joe Biden als US-Präsident haben die Vereinigten Staaten zudem das größte Konjunktur-und-Investitionsprogramm der Nachkriegszeit geschnürt. Es muss zwar noch von beiden Häusern im Kongress abgesegnet werden, die Streitigkeiten halten an. Aber nur die Erwartungen darauf haben der US-Wirtschaft bereits einen massiven Schub verpasst.

Kurzarbeit sinkt

Auch in Deutschland seien die Auftragsbücher für die kommenden Wochen gut gefüllt, betont Analyst Gitzel von der VP Bank. „Es muss einem nun nicht angst und bange werden“, sagte er. Denn der Einbruch im Mai sei nur von kurzer Dauer. Er vermutet, dass die deutsche Industrie weiterhin gute Quartale vor sich hat, glaubt aber auch, dass die Sondernachfrage endet.

Das zeigt sich auch auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Kurzarbeiter in Deutschland ist dem Ifo-Institut zufolge von 2,3 auf 1,5 Millionen Menschen zurückgegangen und damit auf den tiefsten Stand seit Beginn der Coronakrise im Februar 2020. Im Juni waren so noch 4,5 Prozent der abhängig Beschäftigten in Kurzarbeit, nach 6,8 Prozent im Vormonat. Ökonom Gitzel: „Die Eindämmung der Pandemie führt eben auch zu einer Normalisierung.“

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