heute in bremen: „Es hat mich an Brokdorf erinnert“
Maren Bock
60, Geschäftsführerin des Belladonna e.V. Der Literarische Salon besteht seit 1988. Es ist ein offenes Literaturforum, zu dem stets neue Teilnehmerinnen eingeladen sind.
Interview Alina Götz
taz: Warum haben Sie den Roman „Sicherheitszone“ von Katrin Seddig für heute Abend ausgewählt, Frau Bock?
Maren Bock: Erstens finden wir, dass das Thema G20 gesellschaftlich relevant ist. Nicht nur das Literarische ist wichtig, uns interessieren hier auch politische Bücher. Außerdem möchten wir auch jüngere Frauen mit dem Salon erreichen. Oft kommen eher ältere. In den Anmeldungen zeigt sich, dass der Plan bislang gut aufgegangen ist.
Welche gesellschaftlichen Konflikte zeigt der Roman auf?
G20 hat eine Reihe von Fragen angestoßen. Wie darf überhaupt demonstriert werden? Was ist friedlich, was ist nicht mehr friedlich? Wann kommen Wasserwerfer zum Einsatz? Das Gute ist, dass das Buch beide Seiten beschreibt. G20 ist ja ziemlich eskaliert, kann man selbst neutral formulieren. Das Buch beschreibt, wie es dazu kam. Am Ende kann man selbst Schlüsse ziehen – es diktiert nicht, wie frau denken muss.
Wie macht die Autorin das?
Über die Darstellung der Charaktere und die intensive Beschreibung einer Familiengeschichte: Der Bruder ist zwar gegen Trump und ausbeuterische Regierungen, steht als Polizist aber seiner Schwester gegenüber, die demonstriert. Sie ist über ihren Freund in die autonome Szene gekommen und wird dort politisiert. Dass sie zu Beginn relativ unpolitisch ist, ist das einzige, was ich an dem Buch kritisiere.
Warum?
Wir haben früher demonstriert, weil wir inhaltlich was wollten. Nicht nur, weil es lustig war. Über die Autonomen im Buch heißt es immer, sie hätten viel Spaß – das ist mir zu wenig Gehalt. Die Dialoge sind mir nicht inhaltlich genug. Zumal es nicht die Mehrheit der Demonstrierenden spiegelt. Die haben sich ja monatelang vorbereitet.
Literarischer Salon mit dem Buch „Sicherheitszone“ von Katrin Seddig: 19 Uhr, Belladonna, Sonnenstraße 8, Anmeldung erforderlich
Was hat G20 Ihrer Meinung nach mit Hamburg gemacht?
Ich kenne mehrere Menschen, die im Schanzenviertel wohnen. Sie sagen, das waren kriegsähnliche Zustände und dass es furchtbar war. Im Buch sagt die Großmutter der Demonstrantin zu ihrer Nachbarin: „Imke ist im Krieg.“ Es sind auf jeden Fall heftige Fehler passiert, auf beiden Seiten. Aber diese Übermacht der einen Seite wird mit eindrücklichen Hubschrauber-Szenen sehr gut dargestellt.
Sind Sie beim Lesen wütend geworden?
Nein, wütend nicht. Aber es hat mich an Brokdorf erinnert. Da waren auch Hubschrauber und es war schrecklich.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen