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Verhaftungswelle in NicaraguaOrtegas harte Hand

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Vor den Präsidentenwahlen geht Nicaraguas Regierung massiv gegen die Opposition vor. Der Machthaber will wohl jegliches Risiko vermeiden.

Seit seiner Rückkehr vor mehr als 14 Jahren geht Ortega systematisch gegen jede Opposition vor Foto: Cristobal Venegas/AP

E s ist bald 42 Jahre her, dass sich die Sandinistische Befreiungsfront (FSLN) an die Spitze eines breiten Volksaufstandes in Nicaragua stellte und die Diktatur der Somoza-Dynastie hinwegfegte. Der damals 33-jährige Daniel Ortega kam aus dem Exil in Costa Rica zurück und war fortan der sichtbarste Protagonist einer Revolution, die viel bewegte und im Land kaum Gegner hatte.

Unter dem Druck der reaktionären Regierung des Republikaners Ronald Reagan in den USA, der eine Armee von Konterrevolutionären finanzierte und ausrüstete und das Land mit einem Wirtschaftsembargo belegte, begab sich Nicaragua in die Abhängigkeit von der Sowjetunion und strebte einem ökonomischen Kollaps entgegen.

In dieser Gemengelage konnte die FSLN freie und international beobachtete Wahlen gegen eine von den USA finanzierte Oppositionsallianz nicht gewinnen. Ortega musste die Macht an die Verlegerswitwe Violeta Barrios de Chamorro abgeben.

Das Trauma dürfte er nicht verwunden haben. Seit seiner Rückkehr an die Regierung vor mehr als 14 Jahren arbeitet er systematisch daran, jede Opposition zu eliminieren und sich alle Staatsgewalten nebst Medien untertan zu machen. Er paktierte mit der Unternehmerschaft und finanzierte seine klientelistische Sozialpolitik mit Petrodollars aus Venezuela.

Drei Monate Hoffnung

Jahrelang herrschte Ruhe, bis im April 2018 eine im Kern friedliche Protestbewegung drei Monate lang die Hoffnung auf einen Regimewechsel nährte. Sie wurde mit Panzern und tödlicher Munition niedergewalzt. Mehr als 300 Tote sind dokumentiert. Repressive Gesetze aus dem Vorjahr stempeln alle, die sich an der Revolte beteiligten oder sie auch nur befürworteten, zu Terroristen, Verrätern und ausländischen Agenten. Rückwirkend.

Die ideologisch breit gefächerte Opposition schien bereit, in einem vom Regime kontrollierten Wahlprozess mit einer gemeinsamen Kandidatur eine Dynamik wie 1990 auszulösen. Diesem Risiko will sich Ortega ganz offensichtlich nicht aussetzen. Wozu sonst hat er die neuen Gesetze?

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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5 Kommentare

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  • Die Damaligen hier, wie in Nicaragua, fühlen eine tiefe Enttäuschung und Empörung über den Verrat an der Revolution. Die Linke Europas hat aber auch eine verdammte Verantwortung, ihre Stimme gegen Ortegas Diktatur zu erheben, da sie am Entstehen des Systems beteiligt war und viel zu lange geschwiegen hat. Nur so kann die Linke in Europa ihre Glaubwürdigkeit vor der Geschichte zurückerhalten.

  • Wie fühlen sich wohl die vielen, damals jungen Menschen, auch viele deutsche, die beim Wiederaufbau als Erntehelfer und dergleichen geholfen haben?



    Traurig wie dieser einstige Hoffnungsträger



    die eigene Bevölkerung betrogen hat

    • @ Christoph:

      Das ist der Weg jeder Sozialistischen Diktatur. Siehe Venezuela, Kuba, China etc.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Wenn ich mich recht erinnere war Ortega in den 80ern doch die Hoffnungsfigur.



    Ich sehe da Parallelen zu Ghadaffi.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      You die a hero or live long enough to become a villain