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Wahlen in den NiederlandenErfolg für Premier Mark Rutte

Bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden schneidet die Linke schlechter ab als erhofft. Die Regierungskoalition kann wohl weitermachen.

Niederlandes Premier Mark Rutte nach der Stimmabgabe. Er wird weiter regieren Foto: ap

Amsterdam taz | Die liberalen Koalitionsparteien VVD und D66 haben die niederländischen Parlamentswahlen mit Abstand gewonnen. Premierminister Mark Rutte kann wohl einer weiteren Amtszeit entgegensehen. Seine rechte Volkspartij voor Vrijheid en Democratie kann mit vorläufig 35 der 150 Sitze ihren Anteil leicht steigern. Democraten66, eher im linksliberal-urbanen Milieu angesiedelt, erzielen mit 24 Sitzen das beste Ergebnis ihrer Geschichte.

Ihre bisherige christdemokratische Koalitionspartnerin (CDA) fällt dagegen deutlich zurück (15 Sitze). Leichte Verluste gibt es nach aktuellem Stand für Geert Wilders rechtspopulistische Partij voor de Vrijheid (PVV), die bei 17 Abgeordneten liegt.

Enttäuschend verliefen die Wahlen für die linken Parteien: die sozialdemokratische PvdA konnte ihren Aufwärtstrend aus den Umfragen nicht mitnehmen und bleibt wie 2017 bei neun Sitzen, ebenso wie die Socialistische Partij (SP), die wie GroenLinks (sieben Sitze) deutlich verlor.

Damit bestätigt sich der Trend, wonach die klassisch linke Wählerbasis immer kleiner wird. Zusammen haben die drei Parteien nur noch 25 Sitze. Davon profitiert D66, die ihre Spitzenkandidatin Sigrid Kaag nachdrücklich als erste Premierministerin des Landes in Stellung gebracht hatten.

16 Parteien im neuen Parlament vertreten

Genau umgekehrt sieht die Lage im rechten Spektum aus: das 2017 erstmals angetretene Forum voor Democratie (FvD) springt auf 8 Sitze – trotz eines wenige Monate zurückliegenden Skandals um rassistische, antisemitische und homophobe Bemerkungen in internen Chatgruppen. Im Wahlkampf positionierte sich die Partei als entschiedene Gegnerin der Coronamaßnahmen und zog als einzige konsequent wahlkämpfend durch das Land. Die rechts- konservative JA21, die sich erst im Winter wegen besagten Skandals von FvD abspaltete, holt aus dem Stand vier Sitze.

Wie in den Umfragen prognostiziert, steigt die Partij voor de Dieren (PvdD) mit ihren ambitiösen Klimaplänen von fünf auf sechs Sitze. Ein spektakuläres Debut gelang der europäischen Partei VOLT, die künftig mit drei Sitzen in Den Haag vertreten ist. Die Niederlande sind damit das erste Land, in dem dieser Schritt gelingt. Insgesamt sind in der neuen Tweede Kamer des Parlaments 16 Parteien vertreten – die größte Zahl seit 1918.

Alle Ergebnisse sind derzeit noch unter Vorbehalt. Bislang sind rund zwei Drittel der Stimmen gezählt. In zahlreichen Kommunen wird erst im Lauf des Tages ein offizielles Ergebnis erwartet. Wegen der Coronakrise waren die Urnen schon am Montag geöffnet. Personen ab 70 Jahren konnten per Briefwahl abstimmen. Den ganzen Mittwoch über bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen. Die Wahlbeteiligung lag mit 82,6 Prozent auf dem höchsten Stand seit 1986.

Premierminister Mark Rutte zeigte sich in der Nacht „superstolz und superfroh“ über seinen vierten Wahlsieg in Serie. Sigrid Kaag (D66) sprang kurzerhand auf den Tisch, als die ersten Ergebnisse bekannt wurden – die mit Abstand bemerkenswerteste Szene eines pandemiebedingt sehr ruhigen Wahlabends. Fest steht, dass beide Parteien auch den Kern der neuen Koalition bilden werden.

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3 Kommentare

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  • 2G
    21659 (Profil gelöscht)

    In Krisenzeiten wählen Bürger häufig das, was ihnen Stabilität verspricht. Da bringt auch der Kindergeld-Skandal Rutte nicht in Bedrängnis. Dass Geert Wilders PVV aus der Pandemie keinen Nutzen ziehen kann, klingt positiv. Dafür haben jedoch andere rechtsextreme Parteien gewonnen. Positiv ist hingegen der Zugewinn von D66. Bleibt zu hoffen, dass dies auch zu mehr Konsens zwischen Brüssel und Den Haag führt.

  • In anderen Medien kann man lesen, dass Geert Wilders Stimmen verlor, was mir eine wahrheitsgetreue Berichterstattung erscheint, denn eine PVV existiert im Grunde nicht, sie besteht nur aus einer einzigen Person. Die juristische Voraussetzung für die Gründung einer Partei, nämlich drei Personen, hat Wilders umsegelt, indem er Geert, Wilders und Geert Wilders als Mitglieder angemeldet hat. Also nennen wir den Wahlverlierer doch auch so.



    Ein paar mehr Hintergrundinfos zum FvD hätte ich auch gerne gelesen. Thierry Baudet hat seine Anhänger vor der Wahl aufgefordert, sich als stellvertretende Wähler in Altersheimen anzudienen, die dann stellvertretend für Alte, die es nicht selbst zum Wahllokal schaffen, das Kreuzchen an der richtigen Stelle zu machen, zwinkerzwinker. Hat das funktioniert? Wo bleibt die holländische Bewegung "Stop met stelen"?