Wahl in den Niederlanden: Liberal, national, Alarmsignal

Premier Rutte unangefochten, die Linke hat ausgedient, die extreme Rechte feiert: die Lehren der ersten Parlamentswahlen unter Corona- Bedingungen.

Premierminister Rutte auf einem Fahrrad

Der Wahlsieger kam mit dem Rad ins Wahllokal: Premierminister Mark Rutte Foto: dpa

So viele Parteien wie seit 100 Jahren nicht sind künftig im Parlament in Den Haag vertreten. Diese Fragmentierung spiegelt sich auch im Fazit dieser historischen Wahltage wider. Es bleibt ein Bild, so widersprüchlich wie die turbulenten letzten Monate in den Niederlanden.

Das nicht zuletzt krisenbedingte Bedürfnis nach Stabilität ist der stärkste Faktor. Wie prognostiziert, bestätigt die Wahl Premierminister Rutte in seiner Rolle als Steuermann. Die mehr als zehnjährige Vorherrschaft seiner VVD zeugt von einer politischen Kultur, die nachhaltig liberal geprägt ist – auch wenn die Partei derzeit weniger marktradikal auftritt und der strikten Austerität vorübergehend abgeschworen hat.

Der zweite Faktor heißt Aufbruch. Mit dem Versprechen eines gerechteren und ökologisch ambitionierteren Landes unter der “neuen Leitung“ Sigrid Kaags stehe die linksliberale Partei D66 für die Hoffnung auf einen fortschrittlichen Neubeginn „nach Corona“. Der Plan einer Wieder-Öffnung des Landes für negativ Getestete und Geimpfte ist sehr umstritten, bietet aber etwas äußerst Verlockendes: eine Perspektive nach dem langen Lockdown-Winter.

Es ist bezeichnend, dass den klassisch linken Parteien dies nicht gelungen ist. Was nicht daran lag, dass sie keine Ideen zu postpandemischer Verteilungsgerechtigkeit oder Klima hatten. Eher ist es so, dass die Niederlande für eine solche Agenda lieber eine Partei wie D66 wählen, die dank des progressiven Elektorats in zahlreichen Großstädten vorne liegt.

Der dritte Faktor zeigt, dass die Verhältnisse in Den Haag instabiler sind, als das auf den ersten Blick erscheint. Man kann ihn „Fundamental-Opposition“ nennen, denn genau in diesem Anspruch finden sich jene, dank deren Stimmen sich die Vertreter des rechtsextremen „Forum voor Democratie“ nun vervierfachen: Identitäre, Trumpisten, Verschwörungsschwurbler. Dass dieser Anstieg trotz eines Skandals geschieht, der die rassistische Leitkultur innerhalb der Partei offenlegt, ist nicht weniger als ein Alarmsignal.

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