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Charlotte Wiedemann über das Atomtreffen in WienUmständliche Diplomatie

Gewiss, die Sitzordnung wirkte seltsam, als am Dienstag in Wien Gespräche über die Wiederbelebung des Nuklearabkommens mit Iran begannen: Die USA, um deren Rückkehr in den Vertrag es doch vor allem geht, saßen mit ihrer Delegation in einem Nebenraum statt mit am Verhandlungstisch. Es sollte nur nicht der Eindruck entstehen, Iran und die USA würden direkte Verhandlungen mitein­an­der führen.

So funktioniert Diplomatie: Keine Umständlichkeit ist zu viel, wenn dadurch der Weg zum Ziel erleichtert wird. Ziel ist die Rückkehr der USA in den von Trump gebrochenen Vertrag, Aufhebung der US-Sanktionen und die Rückkehr Irans in die nukleartechnischen Restriktionen des Abkommens.

Zu Recht besteht Teheran darauf, sich zur Wahrung des Gesichts nicht mit den USA zu Tisch zu setzen. Amerika schuldet Iran etwas, nicht umgekehrt – das erste Signal zum Dialog musste deshalb von US-Präsident Joe Biden kommen. Und da wurde wertvolle Zeit vertan.

Schon im Dezember forderten US-Sicherheitsexperten und Ex-Diplomaten Biden auf, gleich zu Beginn seiner Amtszeit klare Signale zu setzen.

Eine Freigabe – für humanitäre Zwecke – von eingefrorenen iranischen Gut­haben wäre ein solches Zeichen gewesen. Darauf könnte Teheran mit der Freilassung des seit Langem inhaftierten Doppelstaatlers Siamak Namazi reagieren.

Ähnliche Möglichkeiten, ein Tauwetter zwischen Washington und Teheran einzuleiten, gibt es zwar noch. Doch in gut zwei Monaten wird in Iran ein neuer Präsident gewählt. Der politische Spielraum der scheidenden Regierung von Hassan Rohani ist eng, und das rechte Lager wird es kaum dulden, dass in Wien Hoffnungen entstehen, die den Wahlkampf beeinflussen.

Wenn eine US-Delegation nun ohne weitere Vorbedingungen nach Wien kommt, zeigt dies indes auch: Irans Position ist nicht so schwach, wie oft behauptet wird. Ex-CIA-Chef John Brennan schrieb dieser Tage: Chinas milliardenschweres Investitionsabkommen mit Iran zeige, wie kostspielig der Stand-off mit Teheran für die US-Interessen sei.

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