Neue kosovarische Präsidentin: Eine Reformerin an der Spitze
Die populäre Juristin Vjosa Osmani ist die neue Präsidentin des Kosovo. Damit kann sie die Reformbestrebungen der Regierung absichern.
Noch am 4. April verweigerte ihr das Parlament die benötigte Zweidrittelmehrheit. Nun erhielt sie mit 71 Stimmen jedoch auch 4 Stimmen aus der Opposition. Das strahlende Lachen, mit dem sie bekannt und als Politikerin beliebt wurde, zeigte sich auf ihrem Gesicht.
Die 1982 in Mitrovica geborene Vjosa Osmani ist ein positiver und lebenslustiger Mensch, der zu lachen und zu leben weiß. Sie durchlief das provisorische Schulsystem, das die Albaner des Kosovo selbst organisieren mussten – die serbische Verwaltung hatte 1991 albanische Kinder aus dem Unterricht ausgeschlossen und ein Apartheidsystem errichtet. Der Unterricht fand provisorisch in Privathäusern statt.
Sie studierte nach dem Krieg zunächst Jura in Prishtina, also zu Zeiten des UN-Protektorats im Kosovo. Dann bekam sie die Gelegenheit, in den USA an der University of Pittsburg zu promovieren. Anders als viele Emigranten kehrte sie in den Kosovo zurück, bekam eine Dozentenstelle an der Universität in Prishtina und begann zielstrebig ihre politische Karriere in der Demokratischen Liga Kosova (LDK), der Partei des legendären Untergrundpräsidenten und Pazifisten Ibrahim Rugova. Seit 2011 sitzt sie als Abgeordnete im Kosovo-Parlament.
Zugpferd bei den Wahlen 2019
Frauen haben in dieser noch immer patriarchalischen Gesellschaft zu kämpfen, zumal Osmani über politisches Charisma verfügt und viele ihrer Parteifreunde intellektuell überragt. Wegen ihrer Beliebtheit beschlossen die konservativen Herren um Parteichef Isa Mustafa, Osmani als Zugpferd bei den Wahlen 2019 zu nutzen. Doch als die Kandidatin erklärte, im Kampf gegen die Korruption auch die eigene Partei ins Visier zu nehmen, bekam die Altherrenriege kalte Füße. Noch mehr, als Osmani anschließend mit Albin Kurti und seiner Partei Vetëvendosje (Selbstbestimmung) ein Reformbündnis zimmerte.
Mit Kurti, dem „Marxisten, Nationalisten, Revolutionär“ zu koalieren, das ging für die LDK-Elite gar nicht. Als Osmani bei den Wahlen zwar gut abschnitt, aber doch knapp hinter Kurti Zweite wurde und einen Regierungswechsel einleitete, hintertrieb die Parteielite das Bündnis Kurti/Osmani und stürzte am 3. März 2020 die Reformregierung.
Osmani löste sich von der LDK und wechselte zu Kurti. Am 15. Februar 2021 gewannen die beiden mehr als 48 Prozent der Stimmen, Osmani gelang es, einen Großteil der LDK-Wähler auf ihre Seite zu ziehen. Jetzt ist sie Präsidentin und kann von dieser Position aus die Reformpolitik von Regierungschef Kurtis garantieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Ich habe um Hilfe gerufen“