Informationspolitik und Corona: Hinter der Mauer
Die Senatsverwaltung für Gesundheit ist ein Schlüsselressort in der Pandemie. Leider hapert's mit der Kommunikation.
Pressestellen gehören wohl zu den von der Öffentlichkeit am meisten unterschätzten Schaltstellen im Gefüge von Politik und Verwaltung. Aufgabe von Sprecherinnen und Sprechern ist ja nicht einfach, kluge Sätze abzuspulen, die ihnen ihre DienstherrInnen diktieren – bisweilen sind sie selbst diejenigen, die durch ihre Interpretationsleistung erst Struktur und Nachvollziehbarkeit in das erratische Handeln ihrer „Häuser“ bringen, wie man so sagt. Und im Twitterzeitalter werden manche SprecherInnen fast schon zum eigentlichen Gesicht ihrer Einrichtung.
Im besten und gar nicht mal seltenen Fall herrscht zwischen den JournalistInnen in den Medien und denen in den Pressestellen ein respektvoller Umgang, und es findet ein kontinuierlicher Austausch statt, der auch dann nicht abreißt, wenn die Schreibenden oder Sendenden die gelieferte Information für kritische Berichterstattung nutzen. Es gibt aber auch Beispiele, wo das nicht so gut läuft. Wie im Fall der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung von Senatorin Dilek Kalayci (SPD).
„SenGPG“ ist in der Coronapandemie unverhofft zum Schlüsselressort geworden, aber ausgerechnet hier klemmt die Kommunikation gewaltig. Als es vor einem Jahr damit anfing, dass in der Pressestelle über Tage und Wochen niemand mehr das Telefon abnahm und nur noch ein Anrufbeantworter mitteilte, er sei leider voll, konnte man das noch auf den, nun ja, völlig unerwarteten Corona-Ausbruch in Berlin und die explodierende Arbeitslast schieben. Allein, es wurde nicht besser.
Mails an die SenGPG-Pressestelle werden zwar beantwortet – dazu ist die Verwaltung schließlich verpflichtet –, aber das kann schon mal einen Tag oder gleich mehrere dauern (wie lange, weiß man ohne telefonischen Kontakt vorher nie). Manchmal geht es auch schneller, aber dann kann es passieren, dass man als Replik auf diverse Fragen nur ein paar Sätze zurückbekommt, die so auch schon in einer der letzten Pressemitteilungen standen.
Als die taz im vergangenen Sommer ein Interview mit der Senatorin über den Stand der Pandemiebekämpfung führen wollte, zogen sich die Absprachen wie Kaugummi in die Länge. Am Ende sollten die Fragen schriftlich gestellt und beantwortet werden – worauf wir dankend verzichteten.
Drohende Debakel
Vielleicht mauert die Pressestelle unter ihrem irgendwann vor einem Jahr eingesetzten Chef Moritz Quiske (offiziell eingeführt wurde er nie) ja auch so, weil sie der eigenen Hausleitung nicht gänzlich traut. Wie schief da manches laufen kann, zeigte Kalaycis kommunikatives Debakel, als sie im Abgeordnetenhaus einen Impf-Produktions-Deal mit dem Unternehmen Berlin-Chemie verkündete, der sich noch am selben Tag in heiße Luft auflöste.
In jedem Fall ist keineswegs nur die taz davon betroffen: Unter anderem berichtet aktuell RBB24 von denselben Problemen. Die KollegInnen in der Masurenallee waren zuletzt unter anderem daran gescheitert, verwertbare Aussagen der Senatsverwaltung über den externen Schnelltest-Anbieter „21Dx“ zu erhalten, genauer: zur Frage, ob 21Dx, das die meisten der neuen Schnelltest-Zentren betreibt, wirklich die richtige Stelle ist, um Anträge von Apotheken auf Zulassung zur Durchführung solcher Tests zu bearbeiten – also quasi die eigene Konkurrenz zu zertifizieren.
„Die Pressestelle reagiert erst nach mehr als 20 Stunden, beantwortet zwar nicht die eigentliche Frage, aber schickt Zahlen, um zu belegen, dass die Anmeldung sehr wohl schnell vonstattengehe“, berichtete die RBB-Kollegin Sabine Müller.
Ja, wahrscheinlich gibt es auch Fälle, in denen Medienanfragen von SenGPG umgehend und ausführlich beantwortet werden. Aber verlassen kann man sich darauf nicht. Und wenn irgendwann der Spruch „Frag doch mal die Gesundheitsverwaltung nach 'ner schnellen Reaktion“ zum Running Gag wird, ist das nicht gut. Schon gar nicht, solange draußen Pandemie ist.
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