Corona und behinderte Menschen: Die Regierung hat uns vergessen
Lockdown und Ansteckungsgefahr sind für Menschen mit Behinderung besonders schwer auszuhalten. Beim Coronamanagement sind gerade sie untergegangen.
E in Jahr Corona. Ein Jahr lang wurden behinderte Menschen in den Pandemiekonzepten der Bundesregierung vergessen und nicht gehört. Ein Jahr Lockdown. Das Coronavirus bestimmt unser aller Alltag. Viele Menschen mit Behinderungen trifft das Virus seitdem besonders hart: Bestehende Ungerechtigkeiten verschärften sich; nicht Inklusion, sondern Exklusion.
Seit dem ersten landesweiten Lockdown am 16. März 2020 lebt ein großer Teil von Menschen mit Behinderung isoliert – aus Angst vor einer Covid-19-Infektion. Die Bundesregierung hat behinderte Menschen außerhalb von Wohn- und Pflegeheimen bei ihren Schutzkonzepten nicht bedacht. Viele haben für sich oder auch für ihre Pflege- und Assistenzkräfte nicht genug Schutzausrüstungen, es gab keine Schnelltests, und nun wurde diese Gruppe auch noch bei der Impfpriorisierung trotz massiver Proteste schlicht übergangen.
Der föderale Flickenteppich, der eine Impfung dieser Gruppe unter Umständen vorsieht, ist kompliziert. Das Impfen läuft weder transparent noch gleichberechtigt ab. Damit nicht genug, müssen behinderte Menschen befürchten, vom Gesundheitssystem im Falle einer Triage, wenn Kapazitäten und Ressourcen auf den Intensivstationen knapp werden, aussortiert zu werden. Offenbar glaubt die Mehrheit der politisch Verantwortlichen, dass Menschen mit Behinderung nur in Einrichtungen leben und arbeiten.
Von diesem Stigma müssen wir weg! Behinderte Menschen, die nicht in Heimen leben, müssen endlich niedrigschwellig und flächendeckend geimpft werden. Behinderte Menschen wollen diese Pandemie gleichberechtigt und chancengleich überleben. In anderen Ländern, wie zum Beispiel in Österreich, wird – 12 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention – ganz anders mit behinderten Menschen umgegangen. Dort hört man ihnen zu und lässt sie politisch partizipieren, wie man dies an der priorisierten Impfung dieser Gruppe sehen kann.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül