: Wo läufst du denn hin?
SIRENENKLÄNGE Frankie Rose sang im Comet Club. Die Frau ist jetzt ihre eigene Band. Und hatte an diesem Abend noch eine dabei
Einen schönen Mund hat sie. Aber das ist natürlich nicht alles; auch wenn der Mund eine tragende Rolle spielt: Er muss sich oft runden, denn Frankie Rose singt eine Menge „Ohs“ und „Oh-oh-ohs“ in ihrem Set. Aber sie singt, dem nicht immer sicheren Mischer zum Trotz, noch ganz andere Dinge. Und obwohl ihre Stimme einen im Grunde, Entschuldigung, quäkenden Grundton hat, kann Frankie Rose sehr gut singen. Und richtig gut wird es, wenn die nachnamenlos bleiben müssende Margot aus ihrer Begleitband, die einmal „The Outs“ hießen und bei der neuen Platte gar nicht mehr erwähnt werden, die zweite Stimme gibt.
Zweistimmiger, mithilfe der unscheinbaren Bassistin manchmal dreistimmiger Gesang, dazu eine Pulp-Fiction-Musik mit viel Hall, und hie und da spukhafte Synthiesounds: Das ist die Musik von Frankie Rose. Frankie Rose, kein Begriff? Sie hat früher bei Grass Widow und den Crystal Stilts gespielt, bei den Dum Dum Girls (jaja!) und den Vivian Girls, aber bisher ist sie auch nach eigenem Bekunden immer gegangen, bevor es richtig gut wurde. Das geht jetzt nicht mehr, denn jetzt ist sie die Band, die Chefin, das Programm. Die kleine, dunkelhaarige, schwarz gekleidete Frau vorn mit den Tattoos und dem gut gelaunten Humor. Und selbst eine Sexbombe wie die blonde Margot hinter dem kleinen Korg kann ihr nicht mehr als die zweite Stimme bieten.
Aber Begrifflichkeiten wie Bühnenpräsenz und Charisma spielen an diesem Abend keine große Rolle, denn die Band, die von zwei Männern an Schlagzeug und Gitarre ergänzt wird, hat sichtlich Spaß an der Arbeit, und sie kann was. Auch die Musik kann was, sie ist raffiniert ausgearbeitet, verzichtet auf einfachste Rock-’n’-Roll-Strukturen, auf vorhersehbare Wendungen, dreht sich dafür gern einmal ins Sirenenhafte. Enya, die sich jahrelang nur Platten von den Shadows und den Cramps anhören durfte, wenn man so will. Auf der neuen Platte, „Interstellar“ und erschienen auf Slumberland, soll es auch diskoaffine Stücke geben; Stücke, die mal einen hüpfenden Bass und ein Blondie-Schlagzeug probieren.
An diesem Montagabend im sehr gut besuchten Comet Club in der Falckensteinstraße kommt Frankie Rose mitten im Set plötzlich mit einer Coverversion von „A Forest“ von The Cure um die Ecke. Was natürlich auch hätte schief gehen können, aber durchaus gelungen kam. Der düstere, aber auch sehr simple Text von Robert Smith bekam hier eine charmant verruchte, ironische Note: „Suddenly I stop, but i know it’s too late/ I’m lost in a forest/ all alone.“
Shoegaze, Trash, New Wave. Vielleicht ist es das, was die Wahl-New-Yorkerin und ihre Musik ausmacht: Das fast schon logische Amalgam dunkler Stile, wie man sie in dieser Kombination dann merkwürdigerweise noch nicht gehört hat. School of Seven Bells? Zu süßlich. Die Dum Dum Girls? Machten den Fehler, sich ohne Frankie Rose in Richtung Power Rock Marke Bangles zu entwickeln. Florence & the Machine? Kein weiterer Kommentar.
Im Netz wird „Interstellar“ tatsächlich mit The Cures final großem Album – alles danach hätte sich die Band auch sparen können – „Desintegration“ verglichen. Warum nicht. An diesem dunklen, verregneten Sommertag in Berlin spielten Frankie Rose und Band zum Schluss ihres knapp einstündigen Sets noch ein zusätzliches Stück, das eigentlich von den Vivian Girls stammt: „Where Do You Run To“. Frankie Rose ist unterdessen bei sich selbst angekommen. Mit Humor, mit Charme, mit Ausdruck, mit Eleganz. Ihre früheren Bands hat sie hinter sich gelassen – in jedem Sinn des Worts.
RENÉ HAMANN
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