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heute in bremen„Das sind einzigartige Dokumente“

Baumann/Uni Bremen

Eva Schöck-Quinteros

Historikerin, Lehrbeauftragte der Uni Bremen und Leiterin von „Aus den Akten auf die Bühne“.

Interview Benno Schirrmeister

taz: Frau Schöck-Quinteros, wie konnte Hermann Gieschen seine Briefe trotz Zensur von der Front nach Hause schicken?

Eva Schöck-Quinteros: Das ist eine Frage, auf die ich keine Antwort habe und die auch Karl Schneider nicht beantworten kann, der die Geschichte der Bremer Polizeibataillone akribisch erforscht hat. Was wir wissen, ist, dass er sie irgendwie an der Kontrolle vorbei verschickt haben muss: Die Berichte über Erschießungen und Kriegsverbrechen der Bremer Polizisten wären nicht durch die Zensur gegangen.

Er hatte einen sehr guten Einblick …?

Als Fotograf des Bataillons hatte er einen privilegierten Zugang. Man muss sagen: Diese Briefe, die die Bremer Shakespeare Company in der szenischen Lesung vorstellt, das sind einzigartige Dokumente.

Aber warum schreibt er die: Ein Dissident ist er ja nicht?

Nein, er distanziert sich nicht von den Taten, eher im Gegenteil

Inwiefern?

Da würde ich gern zitieren: Ein prägnantes Beispiel ist der Brief vom 7. August 1941 aus Cesis in Lettland. In ihm beschreibt er zuerst ausführlich, wie sehr er sich freut, Blechdosen ergattert zu haben, mit denen er Butter nach Hause schicken kann, und welche Besorgungen er noch plant. Und dann schreibt er ohne Überleitung, dass an dem Ort „sämtliche Juden erschossen“ werden. „Überall sind solche Aktionen in Gange. Gestern Nacht sind aus diesem Ort 150 Juden erschossen, Männer, Frauen und Kinder, alles umgelegt. Die Juden werden gänzlich ausgerottet. Liebe H., mache Dir keine Gedanken darüber, es muss sein.“ Er distanziert sich nicht von den Verbrechen. Mit „es muss sein“ übernimmt er die Täterperspektive. Er ist ein gutes Beispiel für das, was Browning in seinem Buch übers Hamburger Polizei­bataillon 101 und die Schoah in Polen „ganz normale Männer“ nennt.

„Ich will dir so ein bisschen die Wahrheit schreiben“: szenische Lesung der Reihe „Aus den Akten auf die Bühne“, mit anschl. Diskussion, heute, 19.30 Uhr, auf Zoom-Link auf shakespeare-company.com

Die juristische Aufarbeitung der Verbrechen der Bremer Polizeibataillone ist gescheitert.

Ja, sowohl von den Angehörigen des Bataillons 105, zu dem Gieschen gehört hatte, als auch von den Leuten aus Bataillon 303, die auch in Babi Yar in der Ukraine gemordet haben, wurde nicht einer verurteilt. Das ist ein krasses Beispiel, wie aufgrund der Kontinuitäten des Personals die Justiz nach 1945 gearbeitet hat. Staatsanwalt Siegfried Höffler, seit 1933 Mitglied der NSDAP, war Staatsanwalt am NS-Sondergericht Rzeszów gewesen, das nach Warschau die meisten Todesurteile verhängt hat.

Und sind auch die Polizisten weiter Polizisten gewesen?

Ja, mindestens 150 aus beiden Polizeibataillonen bildeten nach 1945 „den Grundstock für die neue Polizei“ – so Karl Schneider. Diese Vergangenheit seiner Kollegen war ihm aufgefallen, als er Anfang der 1960er für die Bremer Polizei anfing zu arbeiten. Deshalb begann er nach seiner Pensionierung, dieses völlig unbekannte Kapitel zu erforschen. Heute Abend will er versuchen, per Zoom an der Diskussion nach der Aufführung teilzunehmen.

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