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Medizin für trans* PersonenHormonspiegel niedrig

Trans* Personen müssen aus Bremen teils bis nach Hannover oder Hamburg fahren, um eine Hormonbehandlung zu bekommen.

Wer sich in Bremen für eine Hormontherapie entscheidet, muss sich auf einen weiten Weg machen Foto: Delia Giandeini/unsplash

Bremen taz | Trans* Personen leiden in Bremen unter einer sehr schlechten medizinischen Versorgungslage. Seit Jahresbeginn hat sich die Lage noch einmal gravierend verschlechtert: Zeitweise gab es keine einzige Ärzt*in, die Hormontherapien angeboten hat. Das kritisiert der Verein Trans Recht e. V. aus Bremen.

Der hauptsächlich auf dem Gebiet tätige Arzt in Bremen ist am 1. Januar in Pension gegangen. Die Bürgerschaftsabgeordnete Maja Tegeler, die selbst bei dem Waller Arzt in Behandlung war, sagt, der Gynäkologe und Psychotherapeut habe sowohl Hormontherapie als auch Diagnostik durchgeführt und seine Pa­ti­en­t*in­nen mit anderen medizinischen Angeboten wie Logopädie oder Epilation vernetzt – eine umfassende Betreuung also, so Tegeler. Die fehlt nun: „Ich suche gerade krampfhaft nach einer gynäkologischen Praxis, die sich dazu bereit erklärt, mir weiter Rezepte auszustellen.“

Noch dramatischer wurde die Situation, als Mitte Januar die letzte Gynäkologin, die bis dahin eine monatliche Sprechstunde für trans* Personen angeboten hatte, in einem Brief an ihre Pa­ti­en­t*in­nen mitteilte, die Kassenärztliche Vereinigung Bremen (KVHB) habe ihr untersagt, weiter zu praktizieren. Der Problem: Die bereits pensionierte Ärztin hatte keine Kassenzulassung mehr.

Das Problem immerhin ist seit Mittwoch behoben. Auf Nachfrage der taz erklärt die KVHB, dass sie der Ärztin inzwischen eine Sondergenehmigung im Rahmen einer sogenannten „Sicherstellungs­assistenz“ erteilt habe. Die Ärztin dürfe nun gesetzlich versicherte trans* Personen wieder behandeln, da sich der Bedarf hierfür gezeigt hätte.

Unsichere Versorgungslage

Die trans* Community wusste von dieser Lösung lange nichts.„Wir haben die KVHB bereits am 22. Januar angeschrieben und bis heute keine Rückmeldung bekommen“ sagt Freyja Pe* von Rüden von der trans* Be­ra­tung Bremen.

Die unsichere Versorgungslage führt für die Kli­en­t*in­nen der trans* Be­ra­tung Bremen zu einer „großen Panik und Verunsicherung“ sagt von Rüden. Gerade bei Personen, die psychisch nicht stabil seien. „Wenn so etwas Wesentliches nicht geklärt ist, ist das ein großer Schock“, so die Beraterin. Die nächsten Praxen befinden sich in Hannover, Hamburg und Leer. Für einige Menschen sei es kein Problem, alle drei Monate in eine andere Stadt zu fahren. Wer aber keine flexiblen Arbeitszeiten habe oder aus körperlichen, psychischen oder finanziellen Problemen nicht mobil sei, für den stelle es ein großes Problem da, keine wohnortnahe Versorgung zu haben.

Menschen, die sich für eine Hormontherapie entscheiden, bleiben meist ein Leben lang in Behandlung. Eine Hormontherapie erfordere eine kontinuierliche Begleitung, so von Rüden. Mit Rezepten oder der Vergabe von Spritzen sei es nicht getan. Ungefähr alle drei Monate müssten auch die Blutwerte und der Hormonspiegel kontrolliert werden, denn ohne eine Überwachung dieser Werte bestehe das Risiko von Thrombosen und Leberschäden.

Eine Hormontherapie könne auch nicht einfach unterbrochen werden sagt von Rüden, da sich die Wirkung der Hormone sonst wieder umkehre, was zu körperlichen Veränderungen führe und betroffene Personen oft auch psychisch belaste.

Christoph Fox von der KVHB sagt zur Versorgungssituation mit Hormontherapien allgemein: „Es gibt immer mal wieder Ärzte, die das anbieten. Die Versorgungslücke hat aber inzwischen auch die Kassenärztliche Vereinigung erkannt.“ Es gebe eine Initiative von Gy­nä­ko­lo­g*in­nen, die Versorgung von trans* Personen in Bremen zu verbessern: „Der Prozess ist gestartet und am Anfang.“

Keine Hormontherapie in Bremen

Dass das Problem noch größer ist, zeigt sich auch dadurch, dass es laut Maja Tegeler im Moment keine Psy­cho­the­ra­peu­t*in­nen gebe, die eine Diagnostik für trans* Personen in Bremen durchführen. Die Studie „i2TransHealth“, die von Hamburg aus ein Versorgungsnetzwerk für trans* Personen in ganz Norddeutschland aufbaut, listet auf ihrer Seite für Bremen nur zwei Ärzt*innen; neben einer Psychiaterin auch einen Hausarzt. Der Hausarzt Reinhard Steffens sagt, er sei selbst „kein super Experte“, habe aber eine Fortbildung zu dem Thema gemacht. Er sei auch dafür da, dass „solche Menschen überhaupt einen Hausarzt haben“.

Doch auch Steffens bietet keine Hormontherapie an. Die Versorgungsproblematik in Bremen sieht er dabei nicht: „Wer sein Geschlecht wechseln will, der muss bereit sein, mal in den Zug zu steigen“, sagt der Arzt. Tatsächlich sprechen Betroffene meist nicht davon, das Geschlecht zu wechseln, sondern von einer körperlichen Angleichung oder einfach einer Transition. Betroffenen rät Steffens, erst einmal lange mit einem Therapeuten darüber zu reden, „ob man das überhaupt machen will“.

Ärzte für trans* Personen

Für die queerpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Maja Tegeler, ist die Situation weiterhin nicht zufriedenstellend: „Das nervt mich gerade hochgradig, dass wir da nicht weiterkommen.“ Sie sei ständig mit der Gesundheitsbehörde dazu im Kontakt, denn mittelfristig müsse in Bremen „total viel nachgesteuert“ werden.

Mit der Frage, warum die medizinische Versorgung für trans* Personen in Berlin und Hamburg besser sei als in Bremen, beschäftigt sie sich auch im Rahmen einer Online-Diskussion der Linken-Fraktion, die Samstagabend um 18 Uhr (Teilnahme über linksfraktion-bremen.de) stattfindet.

Geladen ist als Best-Practice-Beispiel unter anderem ein Arzt, der in Berlin mit einer Kollegin eine Praxis gegründet hat, die sich explizit und bedürfnisorientiert mit den Bedarfen von trans* Personen beschäftigt. Maja Tegeler ist zuversichtlich und hofft, „auch Hinweise für Bremen zu kriegen, wie man die Situation hier verbessern kann“.

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