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EU-Corona-Aufbaufonds beschlossenMilliarden gegen die Krise

Vor einem halben Jahr einigten sich die EU-Staaten auf ein Programm gegen die Rezession. Jetzt ist der Aufbaufonds so gut wie startklar.

Milliarden gegen die Krise: EU-Chefin von der Leyen bringt Corona-Aufbaufonds an den Start Foto: AP

Brüssel taz | Das Europaparlament hat den Weg für einen klimafreundlichen und digitalen Neustart der Wirtschaft in der Coronakrise frei gemacht. Die EU-Parlamentarier stimmten mit einer überwältigenden Mehrheit von 582 zu 40 Stimmen für den 672,5 Milliarden Euro schweren Aufbaufonds. Das Votum gilt als historisch, da die EU neue Wege geht und alte finanzpolitische Dogmen über Bord wirft.

Angesichts knapper Kassen will Brüssel zum ersten Mal in großem Stil Schulden machen. Damit wird die EU auch zu einem wichtigen Akteur am Finanzmarkt; die ersten Anleihen trafen auf große Nachfrage. Neu ist auch, dass ein Großteil der Finanzhilfen als Zuschüsse und nicht als Kredite ausgeteilt werden. Angeschlagene Länder wie Italien müssen das Geld also nicht zurückzahlen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem „wichtigen Schritt“ zur Überwindung der Krise. Die so genannte „Recovery and Resilience Facility“ werde Europa „grüner, digitaler und widerstandsfähiger“ machen. Mindestens 37 Prozent der Ausgaben je Land sollen in den Klimaschutz gehen, ein Fünftel in die Digitalisierung.

Zunächst hilft das Programm aber vor allem der EU-Kommission. Sie bekommt nicht nur mehr Geld, sondern auch mehr Macht. Denn die Verteilung der Finanzhilfen wird von Brüssel überwacht. Die 27 EU-Staaten müssen Reformpläne vorlegen, um in den Genuss von Zuschüssen zu kommen. Dabei sollen sie sich nicht nur an Klimazielen orientieren, sondern auch neoliberale Reformauflagen aus dem „Europäischen Semester“ erfüllen.

Frust bei vielen Abgeordneten

Darauf hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bestanden, bevor sie grünes Licht gab. Merkel setzte auch durch, dass das Programm befristet wird und die Schulden zurück gezahlt werden. Zudem soll die EU neue „Eigenmittel“ – also Steuern und Abgaben – bekommen. Die Details werden aber erst später festgelegt. Das letzte Wort haben die Staaten; das Europaparlament spielt nur eine Nebenrolle.

Dies führt zu Frust bei vielen Abgeordneten. „Eine stärkere Rolle des Parlaments wäre hier ein wichtiges Gegengewicht gewesen“, kritisiert der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber. „Die Mitgliedstaaten wollten von Anfang an ein Konto, von dem sie ungestört Geld abheben können, ohne dass sie sich an lästige Vorgaben aus Brüssel halten müssen.“

Kritik von den Grünen

Dies gelte auch für Deutschland, wohin 23 Milliarden Euro fließen sollen, meint der grüne Haushaltsexperte Rasmus Andresen. „Statt in Reformen und Innovation sollen die Gelder in Projekte gesteckt werden, die sowieso schon geplant waren“, kritisiert Andresen. „Kommunen, die echte Innovation antreiben könnten, bleiben außen vor.“ Berlin nutze den Aufbaufonds nicht für einen grünen Neustart.

Es gibt aber noch ein anderes Problem: Die neuen EU-Hilfen sollen erst im Sommer fließen – und damit zu spät, um die aktuelle schwere Rezession zu bekämpfen. Zudem fällt das neue europäische Aufbauprogramm relativ mager aus, wenn man es mit den USA vergleicht. Der neue US-Präsident Joe Biden hat eine massive Aufstockung angekündigt. Die EU will jedoch nicht nachziehen.

Beim EU-Gipfel im Juli 2020, bei dem der Aufbaufonds beschlossen wurde, wäre es fast zum Bruch zwischen Deutschland und Frankreich auf der einen Seite und den Niederlanden, Österreich und anderen „sparsamen“ Staaten gekommen. An das tagelange Gezerre erinnern sich viele EU-Politiker noch heute mit Grausen. Dieses Fass werde man nicht noch einmal aufmachen, heißt es nun in Brüssel.

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