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Kreuzberger Buchhandlung Kisch & Co.Senatoren-Brief nach Luxemburg

Die Senatoren Behrendt und Lederer setzen sich für Kisch & Co. in der Oranienstraße ein. Die Verhandlung der Räumungsklage ist verschoben.

Protest vor der Buchhandlung Kisch & Co Foto: dpa

Berlin taz | Die räumungsbedrohte Kreuzberger Buchhandlung Kisch & Co. erhält prominente Unterstützung. Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) und Kultursenator Klaus Lederer (Linke) haben sich in einem Brief, der der taz vorliegt, an die wirtschaftlichen Eigentümer des Hauses in der Oranienstraße 25 gewandt und fordern, ihren Einfluss geltend zu machen, „damit von der Räumungsklage abgesehen wird und stattdessen ein Mietvertrag mit für Kisch & Co. tragbaren Konditionen angeboten wird“.

Die neuen Eigentümer des Gewerbegebäudes hatten im vergangenen Juni den Vertrag mit der seit 24 Jahren bestehenden Buchhandlung auslaufen lassen, ohne ein akzeptables neues Vertragsangebot vorzulegen. Seitdem macht Geschäftsinhaber Thorsten Willenbrock ohne Mietvertrag weiter – mit viel Unterstützung durch Kiezinitiativen und Kun­d*in­nen. Den für den 5. Februar angesetzten Verhandlungstermin für die von der Eigentümergesellschaft angestrengte Räumungsklage hat das Landgericht vergangene Woche aufgrund der „Pandemielage und großem Öffentlichkeitsinteresse“ auf den 9. April verschoben. Gegenüber der taz spricht Willenbrock von einer „Verschnaufpause“.

Behrendt und Lederer argumentieren mit der Bedeutung einer „wohnortnahen Versorgung der Bevölkerung durch kleine vielfältige Gewerbe- und Kultureinrichtungen“ und schreiben, der Laden trage „zur Stabilität und Attraktivität des gesamten Stadtteils bei“. Sie appellieren an die Eigentümer, eine „einvernehmliche Lösung“ zu suchen: „Es liegt gerade auch in Ihrer Verantwortung, diese Vielfalt weiterhin durch Mieten zu ermöglichen, die das ortsansässige Kleingewerbe tatsächlich bezahlen kann“, schreiben sie. Besonders in Zeiten der Pandemie sei es „fatal“, Gewerbetreibenden „durch Räumungsklagen ihre Existenzgrundlage zu nehmen“.

Das Gebäude wurde 2019 von der Berggruen Holdings GmbH für 35,5 Millionen Euro an die Victoria Immo Properties V S.a.r.l., eine Unterfirma der Luxemburger Gesellschaft Victoria Immo SCSp, verkauft, einer Art Kommanditgesellschaft, deren Rechtsform, so die Rosa-Luxemburg-Stiftung, bei professionellen Investoren für ihre Anonymität beliebt ist. Der Brief der Senatoren ist adressiert an die Anwälte Markus Summer und Johannes Michael Burger der Lichtenberger Kanzlei Marxer & Partner, die als Treuhänder für die tatsächlichen Eigentümer fungieren.

Versteckt in der Anonymität

Bei diesen handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Erbinnen des Tetra-Pack-Gründers Ruben Rausing, Kirsten und Sigrid Rausing, deren Vermögen, so wie das anderer wohlhabender Unternehmerfamilien u. a. von Summer und Burger verwaltet wird. Zudem sind beide zugleich Sharholderinnen im der Rausing-Familie gehörenden Ingleby-Trust. Willenbrock sagt, dass sich die Eigentümerinnen in ihrer „Anonymität verstecken“ und dort „völlig abgehoben von lokalen Gegebenheiten“ agierten.

Über den Brief der Senatoren freue er sich „riesig“, wenngleich es auch in der Vergangenheit keine Reaktionen auf Schreiben etwa der Linken-Abgeordneten Gaby Gottwald oder der Bundestagsabgeordneten Canan Bayram (Grüne) gegeben habe. Das wahre Problem sei das „nicht vorhandene Gewerbemietrecht“, hier müsse die Politik endlich reagieren, so der Buchhändler.

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2 Kommentare

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  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Wenn bei mir vor der Haustüre der Buchladen zugemacht wird, würde ich auch an den Vermieter schreiben. Wenn er in Spandau zugemacht wird , wäre es mir egal. Ich glaube Berend lebt in Kreuzberg, also alles verständlich. Er sorgt sich eben um seine Nachbarn und übt sich in Solidarität. Es kann sein , dass Lederer auch in der Nachbarschaft lebt und eben auch Solidarität übt, freut Euch doch.

  • Ich verstehe den von den beiden Senatoren angeführten Zusammenhang zwischen Pandemie und Erhaltungsinterese nicht. Der Laden ist gerade so oder so zu und die Pandemie führt allenfalls zu einem Aufschub.

    Wo wollen die Senatoren dann einen Unterschied machen. Weshalb is der Laden schutzwürdig, ein H&M hingegen nicht?

    Weshalb nutzen die beiden Senatoren die Energie nicht sinnvoll und starten eine entsprechende Bundesratsinitiative?

    Das Ganze hat doch höchst populistische Züge. Keine Aussicht auf Erfolg aber man hat wenigstens ein wenig Einsatz vorgegaukelt.

    Besser wäre es, die aktuelle Rechtsprechung des BFH zum Gewerbesteuerrecht zum Anlass zu nehmen und aufgrund der im Artikel dargestellten Treuhänderschaft eine mögliche Gewerbesteuerpflicht der Eigentümergesellschaft zu überprüfen. Da hätte wenigstens der Stadtsäckel etwas davon. Nur solcherlei Erfolge kann man dem stupiden Wähler dann halt nicht als Erfolg unterjubeln.