heute in hamburg: „Aufarbeitung hat nicht stattgefunden“
Mahnwache zum 16. Jahrestag des Todes von Oury Jalloh:Davidwache, Spielbudenplatz 31, 17–20 Uhr.
Interview Finn Starken
taz: Herr Ndindah, wer war Oury Jalloh?
Mwayemudza Ndindah: Oury Jalloh kam aus Sierra Leone. Als dort der Bürgerkrieg ausbrach, floh er nach Deutschland und beantragte Asyl. Knapp ein Jahr vor seinem Tod wurde er hier Vater eines Kindes.
Am 7. Januar 2005 kontrollierten Polizisten Oury Jalloh in Dessau. Wenige Stunden später war er tot. Was ist passiert?
Als Oury Jalloh fragte, warum sie ihn kontrollieren, wurde er gewaltsam zu Boden gebracht und ins Polizeiauto gezerrt. Auf der Wache haben sie ihm ohne richterliche Anordnung Blut entnommen und in eine Gewahrsamszelle gesperrt. Ein radiologisches Gutachten belegt, dass Oury Jalloh schwer misshandelt wurde: Er hatte einen Schädelbasisbruch und gebrochene Rippen. Mit diesen Verletzungen wurde er auf eine feuerfeste Matratze fixiert und angezündet. Das zeigen die vorliegenden Gutachten.
Der Fall ist bis heute ungeklärt. Wie bewerten Sie die Aufarbeitung?
Mwayemudza Ndindah
ist Teil der Black Community Coalition for Justice & Self-Defense und der Freunde von Oury Jalloh Hamburg.
Eine Aufarbeitung hat im Wesentlichen nicht stattgefunden, sondern ist von allen Beteiligten verhindert worden. Die Polizei hat behauptet, dass Oury Jalloh sich selbst angezündet habe. Und auch die Staatsanwaltschaft hat entscheidende Fehler gemacht: Sie war weder am Tatort noch hat sie ergebnisoffene Untersuchungen geführt. Sie hat einfach die These von der Polizei übernommen, dass Oury Jalloh sich selbst angezündet habe. Trotzdem soll sie alles richtig gemacht haben – das passt nicht zusammen. Auch deshalb will der Landtag von Sachsen-Anhalt nach der Landtagswahl einen neuen Untersuchungsausschuss einsetzen. Hier müssten dann Antworten gegeben werden.
Die heutige Kundgebung in Gedenken an Oury Jalloh findet vor der Davidwache auf St. Pauli statt. Warum haben Sie diesen Ort gewählt?
Die Davidwache ist das Zentrum des Racial Profiling. Anti-Schwarzer Rassismus und straffreie Tötungen nehmen so oft ihren Anfang. Die Stadt Hamburg hat ihre eigene Geschichte, was das Töten Schwarzer Menschen angeht; von Achidi John über Yaya Jabbie bis Tonou Mbobda. Achidi John wurde mit einer Brechmittelfolter quasi ertränkt. Als Yaya Jabbie in Untersuchungshaft starb, wurde behauptet, dass er sich in seiner Gefängniszelle selbst erhängt habe. Doch auch dafür gibt es keine Anhaltspunkte.
tazzwei 15
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