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„Einen Schrecken erleben“

PODIUM Forscher diskutieren den Klimawandel und dessen lokale Auswirkungen

Peter Lemke

■ ist Physiker und Meteorologe und Leiter des Bereichs Klimawissenschaften am Alfred-Wegener-Instituts.

taz: Herr Lemke, jetzt ist es endlich auch in Bremen warm. Ist das die globale Erwärmung?

Peter Lemke: Garantiert nicht. Man merkt es nicht gleich und wird auch nicht dafür bestraft, dass man zu viel CO2 in die Luft gepustet hat. Was einen bestraft, sind immer Wetter-Extreme. Und dass diese mit dem Klimawandel zunehmen, vermuten wir alle, aber es ist immer noch eine große Frage in der Wissenschaft.

Wie sicher sind denn die Klima-Projektionen?

Wir haben große Anzeichen, dass wir an der globalen Erwärmung der letzten vierzig, fünfzig Jahre schuld sind. Regional und lokal gibt es aber Probleme bei den Klimamodellen. Ob es etwa mehr Regen gibt? Aller Wahrscheinlichkeit nach: ja. Hitzewellen? Sicher. Überschwemmungen? Vermutlich. Meeresspiegel-Anstieg: garantiert – nur um wie viel, ist die Frage.

Warum kommen die Warnungen immer noch nicht ganz an?

Es gibt eben Probleme, die dringender sind – Arbeitslosigkeit oder die Eurokrise. Die globale Erwärmung ist nichts, was einen vom Hocker reißt – auch physikalisch nicht.

Inwiefern?

Der Temperaturanstieg geht ganz langsam, fast ein Grad in 100 Jahren. In den nächsten 100 Jahren werden es zwei oder sechs Grad sein, je nachdem, was wir machen. Aber den Nachweis zu führen, ob eine aktuelle Überschwemmung, wie in Japan, mit der globalen Erwärmung zu tun hat, das ist sehr, sehr schwierig.

Aber Überschwemmungen, das sind die lokalen Auswirkungen in Bremen?

Das, was uns am meisten treffen wird, ist sicherlich der Anstieg des Meeresspiegels. Was auch dazu kommen wird sind Hitzewellen. Ganz allgemein ist der Westen gut gewappnet, er kann die Anpassungen bezahlen. Eindeichen geht ja ganz gut. Fast alles, was hier westlich der Weser bis zur Ems liegt, wäre bei normalem Hochwasser ohne Deiche zweimal am Tag überflutet. Aber es gibt Länder, die kann man nicht einfach eindeichen, etwa Bangladesh oder die Malediven. Die werden einen Schrecken erleben.

Die sozialen Problem werden sich verschärfen?

Garantiert. Dabei gebe es Auswege, indem der Westen, der neben Indien und China das meiste CO2 produziert, alternative Energien nutzt. Allein durch modernere Waschmaschinen und Kühlschränke und sorgsamen Umgang mit der Energie würde schon ein Drittel unseres Verbrauchs eingespart. Interview: jpb

18.30 Uhr, Ausstellungsschiff „MS Wissenschaft“, Liegestelle „Tiefer“

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