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RAW-Tempel

Mitten auf der Party-Meile im gentrifizierten Friedrichshain steht ein kleines soziokulturelles Dorf

RAW-Tempel

Termine:

■ Chaussee der Enthusiasten: Die schönsten Schriftsteller Berlins lesen was vor, Donnerstag, 26. Juli, 23.30 Uhr, im RAW, Revalerstr. 99.

■ Suppe & Mucke, am 25. August kocht der Kiez rund um den Forckenbeckplatz.

Das Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerkes Franz Stenzer (RAW) an der Warschauer Straße wirkt auf den ersten Blick wie eine der letzten Oasen in Berlin Friedrichshain. Während sich die Nachbarschaft in den letzten Jahren stark verändert hat, scheint hier die Welt noch in Ordnung zu sein. Nach wie vor hängen Konzertplakate an den alten Steinmauern, die das Gelände umgeben, gibt es Ateliers und Konzerte für wenig Geld und rollen die Skateboards in der Skatehalle.

Doch der Schein trügt. Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass das RAW-Gelände sich über die letzten Jahren stark gewandelt hat. Kommerzielle Clubs wie das Astra Kulturhaus und der Suicide Circus zogen hierher, mehrere Bars nahmen den Betrieb auf, ein Getränkehandel öffnete seine Tore. Inzwischen ist das RAW-Gelände zu einem angesagten Partyspot auf der Ausgehmeile zwischen Kottbusser Tor und Warschauer Straße avanciert. „Das hatten wir uns bei unserem Einzug alles anders vorgestellt“, sagt Kristine Schütt, Vorstandsmitglied des Vereins RAW-tempel.

In der Tat ging es den Enthusiasten, die 1999 die Räume der vorderen Häuser bezogen, nicht ums große Geld. Sie wollten einen Ort für Kunst und Kultur schaffen, der frei sein sollte von Verwertungsdruck und Rendite, einen Ort für die BewohnerInnen Friedrichshains. Sie renovierten vier der heruntergekommenen Werksgebäude und machten daraus Projekträume, ein Café, Ateliers und Proberäume, die sie bis heute für einen geringen Obolus vermieten. „Es ging uns darum, gemeinsam mit den Nachbarn einen Freiraum zu schaffen. Daran hat sich bis heute nichts geändert: Unser Ziel ist eine Stadtentwicklung von unten und ein kostengünstiges Kulturangebot“, sagt Schütt.

Insgesamt 65 Projekte sind auf dem Gelände des RAW-tempels untergebracht. Die erfolgreichsten unter ihnen sind der „Zirkus Zack“, der Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bietet, Zirkusluft zu schnuppern und eigene Aufführungen einzustudieren, und der „Verein zur Überwindung der Schwerkraft“, der sich als Plattform für Zirkuskünste versteht. Artisten finden hier Trainingsräume, Workshops und Kurse. Über 500 Menschen nehmen an den Angeboten der beiden Vereine teil. Darüber hinaus gibt es eine Keramik- und eine Glaswerkstatt, einen Sambaraum und eine Theaterlounge für Proben und Kurse.

Neben den soziokulturellen Projekten nutzen auch politische Gruppen die Räume im RAW-tempel: Die Umweltorganisation Robin Wood hat ihr Berliner Büro auf dem Gelände und die Gruppen „Mediaspree versenken“ und „Megaspree“ treffen sich hier zum Plenum. Auch an der Fête de la Musique und am „Tag des offenen Denkmals“ beteiligt sich der Verein. Der Rat für nachhaltige Entwicklung hat dem Projekt 2011 und 2012 für sein soziales Engagement das Prädikat „Werkstatt N“ verliehen. „All diese Aktivitäten haben den Kiez belebt und weit über Friedrichshain hinaus gewirkt“, resümiert Schütt.

Doch der Verwertungsdruck steigt und die aktuellen Entwicklungen auf dem Gelände weisen eher in eine andere Richtung. Seitdem die R.E.D. Berlin Development GmbH das Gelände im Jahr 2007 gekauft hat, ist das Projekt in einer prekären Lage: 2008 kündigte die RED dem Verein den Vertrag und setzte Verhandlungen über eine Erweiterung und Verlängerung zunächst aus, nachdem ein runder Tisch gescheitert war, mit dem ein gemeinsames Nutzungskonzept ausgearbeitet werden sollte. Durch gemeinsame Verhandlungen mit der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und Bürgermeister Franz Schulz (Grüne) erhielt der Verein Ende 2010 einen Vertrag für drei der vier genutzten Häuser. Der Vertrag ist bis zum Jahre 2019 gültig. Das Ambulatorium mit seiner Bühne ist seitdem geschlossen.

Derzeit hat eine weitere Vertragsverhandlung über alle vier Gebäude mit einer längeren Laufzeit begonnen, um mittelfristig Fördermittel für die Sanierung der Denkmalbauten einwerben zu können. Daher finden nun weiterhin Gespräche mit der R.E.D., dem Bürgermeister und den Parteien im Bezirk statt. Der Verein erhofft sich, eine verträgliche Lösung für alle Seiten zu finden. „Ich denke, das ist machbar“, sagt Schütt. Das denkt auch die R.E.D.: „Wir wollen, dass der Verein bleibt und seine Arbeit auch in Zukunft fortführen kann“, sagt Eigentümer Moritz Müller.

Wer den Verein unterstützen will, kann das auf verschiedene Weise tun. Im Augenblick sucht das Team des RAW-tempels Personen und Institutionen, die es bei der Entwicklung zukunftsfähiger Konzepte beraten und unterstützen möchten. So wollen Schütt und ihre MitstreiterInnen versuchen, das Bildungsangebot des Projekts auszubauen und verschiedene Bildungsprojekte zu koordinieren. Auch HelferInnen, die sich mit der Akquise von Fördermitteln auskennen, sind herzlich willkommen. „Wir brauchen jede helfende Hand, um diesen wichtigen Freiraum zu erhalten“, appelliert Schütt.

LUKAS DUBRO

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