Ermittler ohne Plan

In Neustadt am Rübenberge ist eine rechte Chatgruppe unter Soldaten aufgeflogen. Angeblich sollen gleich zwei Staatsanwaltschaften ermitteln – die wissen aber von nichts

Von Nadine Conti

Der Fall wurde schon am 27. November öffentlich: 26 Soldaten, Teilnehmer eines Lehrganges des Versorgungsbataillons 141 im niedersächsischen Neustadt am Rübenberge, sollen in einer gemeinsamen Chatgruppe pornografisches, gewaltverherrlichendes, antisemitisches und rechtsextremistisches Material ausgetauscht haben.

Darüber informierte das Verteidigungsministerium die Obleute im Bundestag in der vergangenen Woche schriftlich. Ein unbeteiligter Soldat hatte die Kameraden im Oktober gemeldet. Es seien daraufhin umgehend Ermittlungen eingeleitet worden, hieß es. Und zwar sowohl intern als auch extern. Beteiligt seien die zuständigen Wehrdisziplinar- und Staatsanwaltschaften sowie der Militärische Abschirmdienst (MAD).

Nur wissen die zuständigen Staatsanwaltschaften davon wohl nichts: Sowohl die Staatsanwaltschaft Hannover als auch die Staatsanwaltschaft Lüneburg konnten auf eine entsprechende Anfrage der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ)keinen entsprechenden Vorgang im eigenen Haus ausfindig machen. Eine Erklärung dazu, wie es zu dieser Fehlinformation kommen konnte, war vom Heer bis Redaktionsschluss nicht zu bekommen.

Bisher bekannt ist, dass es sich bei den Mitgliedern der Chatgruppe um 16 Unteroffiziere und zehn Mannschaftsdienstgrade handeln soll. Das beschlagnahmte Material wird in einem Bericht des Spiegel beschrieben als Mischung aus Pornobildern, die Gewalt gegen Frauen verherrlichten, Hitlerbilder und Fotos von Soldaten beim Hitlergruß, aber auch Propagandamaterial, das auf eine eindeutige Nähe zum Rechtsextremismus, tief sitzenden Ausländerhass und Antisemitismus schließen lasse. Bisher sollen drei Mitglieder der Chatgruppe deshalb suspendiert worden sein.

Das Versorgungsbataillon 141 ist im niedersächsischen Neustadt am Rübenberge stationiert und verteilt sich außerdem auf die Standorte Munster und Rotenburg/Wümme. Es gehört zur Panzerlehrbrigade 9, die in Munster sitzt. Diese Prestigeeinheit stellt immer wieder Kräfte für die Nato-Eingreiftruppe VJTF (Very High Readiness Joint Task Force) und spielt eine wesentliche Rolle in der Ausbildung des Führungsnachwuchses. Das Bataillon 141 ist für die Logistik zuständig, liefert zum Beispiel Munition, Betriebsstoffe und Ersatzteile, birgt und repariert beschädigtes Kriegsgerät.

Im Juni 2020 war in Niedersachsen schon ein Unteroffizier der Reserve aufgeflogen, der detaillierte Informationen über Politiker und Prominente gesammelt hatte – darunter Handynummern und Privatadressen. Er geriet durch die Teilnahme an zwei rechtsextremen Chatgruppen ins Visier des MAD. Gegen ihn läuft ein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft Lüneburg.