Radikalfeministische Zeitschrift: Ringen um die Formen des Ausdrucks
„Die schwarze Botin“ protestierte gegen das Patriarchat – und auch gegen die frühe Frauenbewegung. Die galt den Autorinnen als zu unintellektuell.
Avantgardistische Zeitschriften leben selten lang. Ob aus dem Underground oder aus elitären Zirkeln: Der provozierende Gestus erkaltet mit der Zeit. Solche Projekte sind akut: Sie setzen auf Radikalität und Provokation. Nur schwer lässt sich der aufgeregte Ton auf Dauer stellen. Die Polemik erschöpft sich in der Wiederholung. Avantgarde-Journale sind wie Blitze in der Literatur- und Theoriegeschichte: Sie sprühen helle, schnelle Funken.
Meistens wurden sie von Männern gemacht. Zu den großen Ausnahmen gehört: Die Schwarze Botin – eine radikalfeministische Zeitschrift. Ein „Frauenblatt“ – so der schlichte Untertitel. Dabei haben die Bände es in sich. Das erste Heft erschien im Oktober 1976, das vorerst letzte im Dezember 1980. Im Jahr 1983 ging es in neuer Konstellation doch noch einmal weiter. 1987 war dann wirklich Schluss.
Bei Wallstein ist jetzt eine Anthologie erschienen: Sie umfasst Texte aus der erste Phase. Die zweite sei weniger radikal gewesen, heißt es im Vorwort. Wer die Namen der Autorinnen liest, sieht sofort: Das ist nicht bloß ein Album aus wilden Zeiten. Elfriede Jelinek und Gisela Elsner schrieben für die Botin. Ebenso Elisabeth Lenk, Eva Meyer und Silvia Bovenschen. Viele waren um die dreißig, als es losging. So auch die beiden Berliner Herausgeberinnen Brigitte Classen und Gabriele Goettle. Letztere wird später regelmäßig für die taz schreiben.
Am Anfang stand der Protest: keineswegs bloß gegen das Patriarchat. Es ging vielmehr gegen die Neue Frauenbewegung. Sie galt als zu wenig intellektuell, zu larmoyant. Gleich mehrere Beiträge im zweiten Heft kritisieren die Berliner Autorinnenzusammenkunft im November 1976.
Elfriede Jelinek zeichnet ein loderndes, sardonisches Porträt: „Bejubelt wurde Margot Schroeder, die sagte, daß sie ihren Hängebusen liebt. Nicht bejubelt wurde Gisela Steinwachs“, die über Theorie sprach, über Karl Marx und Shulamith Firestone. „Bejubelt wurde Margot Schroeder, als sie sagte, daß sie ihre Krampfadern liebt. Sehr unbeliebt war die Satire“.
Gegen die Neue Subjektivität
Wie schreiben? Um die Formen des Ausdrucks wurde ab dem ersten Heft gerungen. Natürlich polemisch. Selbstfindungsprosa wie Verena Stefans „Häutungen“ wurde kritisch gesehen. Auch in der feministischen Spielart führe die Neue Subjektivität nicht weit. Davon waren die Herausgeberinnen der Botin überzeugt.
„Die Frauen haben sich schlecht beraten lassen, als sie anfingen zu glauben, daß alles, was Frauen denken, sprechen, schreiben und arbeiten, unter dem Aspekt einer Neuen Weiblichkeit für die Emanzipation brauchbar, wenn nicht gar gut sei.“ Deutliche Worte, die hohen Anspruch und tiefe Verachtung transportieren. Aber auch Ungereimtes: Wer „die Frauen“ wohl beraten hat?
Die Kampfansage galt auch den publizistischen Konkurrenzprojekten: Gegen die Emma wurde schon polemisiert, als sie noch ein kühner Plan war. Zu weich, zu zahm. Kaum besser erging es der Courage. Trotzdem war die Botin nicht einfach immer nur dagegen. Für viele der jungen Autorinnen dürfte sie ein Ort gewesen sein, an dem sie das Schreiben und die Kritik ausprobieren konnten. Der Reiz des Projektes lag nicht zuletzt in der Offenheit. Fertiges stand neben stilistisch noch nicht ganz Ausgereiftem. Nicht überall ist das theoretische Pathos gefüllt. Manche Wendung klingt unfreiwillig lustig.
Was ist theweleitisieren?
Dafür warten die Essays und literarischen Texte mit stilistischen Überraschungen und sprachschöpferischer Laune auf: Christa Reinig, 1964 nicht in die DDR zurückgekehrt, führt das „theweleitisieren“ vor. Elfriede Jelinek trug Experimentelles bei, etwa „untersuchungen zu udo jürgens liedtexten“ – in konsequenter Kleinschreibung, mit reduziertem Gebrauch von Satzzeichen, allerdings kein Originalbeitrag.
Von Gisela Elsner, deren „Riesenzwerge“ 1964 bei Rowohlt erschienen waren, kamen die „Schattenspender“. Eine verstörende Erzählung über ein Ehepaar, das sich im Urlaub afrikanische Männer als Sonnenschirme mietet.
Aus der feministischen Theoriebildung ist die Zeitschrift kaum wegzudenken. Man findet frühe Essays von Gisela von Wysocki oder Silvia Bovenschen. Wenig später erschienen ihre Dissertationen in prominenten Verlagen: die „Bilder und Geschichten des befreiten Lebens“ bei Hanser, „Die imaginierte Weiblichkeit“ bei Suhrkamp. Ambivalenzen auch hier, wurde Suhrkamp in der Botin doch als „Schutz- und Trutzbund männlicher Autoren“ gehandelt.
Gedicht mit Perspektive
Schade ist, dass die Anthologie die Interpretation gleich mitliefern will. Dafür fehlt eine Übersicht über alle erschienenen Beiträge und Hefte. Die Texte sind im Band nach Rubriken sortiert, innerhalb der Rubriken vage chronologisch angeordnet: Von Tumult über Texte zum Feminismus, Sexualität & Weiblichkeit bis zu Lyrik und Prosa. Mit kleinen Abweichungen: So findet sich das „Gedicht mit Perspektive“ unter Tumult, nicht unter Lyrik.
In jedem Fall ist die Sammlung aus der Schwarzen Botin ein gutes Gegengift für alle, die von den angeblich wilden Jungsjahren memoirenschreibender Siebzigjähriger genug haben.
Leser*innenkommentare
Lowandorder
Däh&Zisch - Mailtütenfrisch mal radikal
“ Glückauf! Black is beautiful. Schwarze Botin - taz.de/Radikalfemi...bb_message_4060970
„Immer voller Misstrauen der sogenannten Hochkultur gegenüber..."
Doch `s Publikum ergriffen schweigt,
Wenn H o c h kultur sich t i e f verneigt
Und dabei gute Haltung zeigt.“
kurz - “Lütt beeten bitoo! *
Is auch auch ver 🎻 t!“ - 🥳 -
unterm—— für spracharme *
“Lütt beeten bitoo - sä de Amm.
Door harr dat Kinn oppen Henkel sheeten“
Tja - So kann’s gehn.
&
(Im Neuen Jahr? Mal sehn! - 🤫 -
Ringelnatz1
Äußerst interessant!
Als Ostler bin ich gerade am wühlen.
....ein Ehepaar, das sich im Urlaub afrikanische Männer als Sonnenschirme mietet.....
Da war mein Interesse natürlich geweckt.
....Der Fehdehandschuh ist nicht aus Spitze
Eine Zeitschrift für die Wenigsten.....
www.sueddeutsche.d...ze-botin-1.5128546
Bilder -Klasse!
Der Beitrag und der Link haben mich wieder richtig munter gemacht.
........die selbstgefällige Dummheit derjenigen, die aus Mißtrauen gegenüber allem Geformten sich lieber gar nicht erst seiner Erfahrung aussetzen"......
Willi Müller alias Jupp Schmitz
@Ringelnatz1 Der Spitze Fehdehandschuh ist ein sehr erbaulicher Einstieg zum Wochenbeginn.
Siehe auch Lowandorder 11h47 ff.
Kreis vorläufig geschlossen. Merci
Rudolf Fissner
"Von Gisela Elsner, deren „Riesenzwerge“ 1964 bei Rowohlt erschienen waren, kamen die „Schattenspender“. Eine verstörende Erzählung über ein Ehepaar, das sich im Urlaub afrikanische Männer als Sonnenschirme mietet."
Lisa Eckhard hätte da auch gut hinein gepasst.
Lowandorder
@Rudolf Fissner Klar - irgendwie paßt irgendwieoderwas
Irgenswie zusammen oder aneinander.
Unser Literaturbarde macht das schonn.
Aber lesens selbst.
www.giselaelsner.d...rarbeit_Elsner.pdf
& ok - bisken lang wa -
de.wikipedia.org/wiki/Lisa_Eckhart -
“ Rein sprachlich bin ich […] ein Goethe-Fan, auch in seiner Schlampigkeit und seinen Makeln, die der Faust hat. Von der Boshaftigkeit mit Humor sicherlich die Jelinek. Von der Bühnen-Präsenz wahrscheinlich doch Klaus Kinski (lacht). Sofern man ihn als Vorbild sehen kann. Aber vom Temperament her. Es ergibt alles ein Mosaik.
[Interviewerin] Deine veränderte Stimme auf der Bühne erinnert mich an die von Falco – ist dir das bewusst?
Bewusst ist mir gar nichts auf der Bühne. Auf jeden Fall ist er auch ein Vorbild von mir. Er hat mich schon sehr früh geprägt. Ich bewundere an Falco wahnsinnig seine unglaublich charmante Arroganz. Er hat mir beigebracht, dass Bescheidenheit auf der Bühne keinen Stil hat.“
– Lisa Eckhart: auto touring, November 2016…“
kurz - Finde. Das hätte unser aller. Gelle.
Rudolf Fissner als Wort zum Sonntag!
Auch nicht besser Slam-Poetryn können!
& Liggers!
Wir danken allen Mitschlammenden!🥳
Lowandorder
Ja wie?
“ So auch die beiden Berliner Herausgeberinnen Brigitte Classen und Gabriele Goettle. Letztere wird später regelmäßig für die taz schreiben.“
Leider schon viel zu lange nich mehr. Eine (eure) Annäherung.
“ Goettles Methode ist ein 70er-Jahre-Journalismus, der am amerikanischen New Journalism und Protagonisten wie dem legendären Radio-Interviewer Studs Terkel geschult ist: So nah wie möglich bei den Menschen, so kritisch wie möglich die Strukturen hinterfragend, in denen sie sich bewegen.
Immer voller Misstrauen der sogenannten Hochkultur gegenüber, überhaupt gegenüber allen Konventionen. Aus mündlich weitergebenen Geschichten von den Rändern der Gesellschaft entsteht Geschichte von unten. Genauer gesagt: von links unten.
Lange, mäandernde Gespräche mit überraschenden Wendungen
Goettle nähert sich den Menschen und den Themen, die sie bewegen, mit kompromissloser Ernsthaftigkeit, einer distanzlosen, fast kindlichen Neugier.
Sie will einfach alles wissen. Und mutet dem Leser ganze Biografien zu.…“
Ach was!
unterm——- “…das waren Zeiten als wir travellten …“ - 👻 -
taz.de/Ausgezeichn...innigkeit/!160847/
& kleine Probe -
Über Zwangsräumung in Berlin
taz.de/Ueber-Zwang...n-Berlin/!5367110/
& Däh!
“ Rentenexperte Otto Teufel
: Einer schuftet im Augiasstall
Der Bruder von Fritz Teufel ist einer der versiertesten, kritischsten Rentenexperten Deutschlands. Seit 30 Jahren kämpft er gegen die Rechentricks der Rentengesetzgebung.
taz.de/Rentenexper...o-Teufel/!5127666/
kurz - Verweht - Vergessen - Vorbei
& hück - taz - 👹 -
Immergriiens Bayern Kurier - anbei.
Ringelnatz1
@Lowandorder Guter , interessanter Beitrag über Otto Teufel.
Ich schaue immer mal ob von den alten Foristennamen noch welche im Spiel sind.
Khaled Chaabouté
@Lowandorder Der soziale Horizont Goettles findet leider keine Schnittmenge mehr zur heutigen TAZ-Zielgruppe.
Lowandorder
@Khaled Chaabouté Schonn. Aber - Gottlegewollt isset nich!
Handkrafted by tazis asozial & Co. - wa!
- 🤑 -
kurz - Charlie Brown hat schon recht
“Wenn du dich entschieden hast - welches der linke Daumen ist, isses einfach!“
Aber die Edelfedern di Fjutscherianer brechen sich dabei bekanntlich schon vorsorgliche gleich erst die Finger im Hosenstall ab.
& Ooch klar. Gellewelle
Der Superhyperpiper van de “alter Blödmann“ Superperformer Lindner - Aber sowas von Harald Welzer vorweg!
So schnell kannst gor not kucken! PU •
NA - ABER - SOWASVONVERZICHTBAR
Na Mahlzeit
Willi Müller alias Jupp Schmitz
@Lowandorder Bonjour Monsieur,
Merci vielmals für das neuerliche Erwecken meines Interesses an Gabriele Goettle u.a.
Man gönnt sich ja sonst nichts...
Schönen Sonntag!
Lowandorder
@Willi Müller alias Jupp Schmitz Dito. Hör mir grad via TASCAM am Mozart-Flügel zu & lese dabei fasziniert wie der unvergleichliche Heinrich
Jacoby - alle! saßense & lauschten - Feldenkrais & Co. - “musikalisch“ - “unmusikalisch“ in die Tonne tritt - sowie die Reproduktionsmusik kein Ausdruck von Kreativität & vielmehr Improvisation als starterkit usw usf als elementare Voraussetzungen einer wahren Musikkultur.
& Däh! Teddy! listen - 👻 -
“Jazz-Musik setzt voraus, daß der Spieler sich ganz von den Noten frei macht.“ - öh - statt adornieren vermutlich - 😂 - Anyway - 🧑🎄 -
kurz - So - kann‘s weitergehen.
Hoffentlich freie Sicht a Petit Ballon?!🥳
Willi Müller alias Jupp Schmitz
@Lowandorder Sicht
Gemischt
Von oben
Hübsch 🏝🛁😇
Lowandorder
@Lowandorder Ps 1924 gesagt! - 😱 -