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Verteilung von Corona-ImpfstoffEU sichert sich Millionen Impfdosen

Die Europäische Union hat jetzt einen Vertrag mit Biontech und Pfizer – doch entscheidende Fragen sind noch lange nicht beantwortet

Der Stoff aus dem die Träume sind: Im Labor bei Biontech Foto: Biontech via dpa

Die EU-Kommission hat sich für ihre Mitgliedstaaten in einem Vertrag Impfdosen der Firmen Biontech und Pfizer gesichert. Am Mittwoch soll der Vertrag formal beschlossen werden. 200 Millionen Dosen und eine Option für 100 Millionen weitere sollen es sein – jeweils 300 Millionen hat sich Brüssel auch von den Impfstoffen von Johnson & Johnson, Sanofi-GSK und AstraZeneca gesichert, alle allerdings bisher ohne Wirknachweis.

Biontech und Pfizer haben mit Kanada, Japan, den USA, Großbritannien und der EU für die Jahre 2020 und 2021 Lieferverträge über insgesamt 570 Millionen Impfdosen abgeschlossen. Kostenpunkt: für Industrie­länder circa 16,50 Euro pro Dosis. Referenz ist eine Vereinbarung mit der US-Regierung, erklärte Biontech am Dienstag in einer Pressekonferenz.

2020 werden die beiden Partner nur 50 Millionen Dosen an ihren Produktionsstätten in Belgien und den USA herstellen können. Die werde man, so schreibt Pfizer auf taz-Anfrage, „proportional an die Länder verteilen, die Vereinbarungen über die Lieferungen eines Teils der Impfstoffdosen im Jahr 2020 haben“.

Ob die EU dazu gehört, ist unklar, die Details des Vertrags sind nicht öffentlich. Innerhalb der EU jedenfalls sollen die verfügbaren Dosen proportional zur Bevölkerung an die Mitgliedstaaten verteilt werden. Von den 200 Millionen Dosen stünden Deutschland rechnerisch also 37 Mil­lio­nen zu.

Anzeichen für hohe Wirksamkeit

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte am Dienstag jedoch, er rechne mit 100 Millionen – unklar ist, wie er auf die Zahl kommt: Die EU-Mitgliedsstaaten hatten vereinbart, keine eigenen Verträge mit Pharmakonzernen abzuschließen.

In Sachen Zeitplan kursieren immer wieder unterschiedliche Zahlen. Fest steht, dass die endgültigen Impfstoffdaten erst Ende November dieses Jahres ausgewertet sind. Dann wird klar, ob sich die Zahlen von Montag bestätigen: Nach einer Teilauswertung der Daten von mehr als 40.000 Geimpften durch ein unabhängiges Gremium der US-amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde FDA hatte sich gezeigt, dass mehr als 90 Prozent der Geimpften vor dem Virus geschützt waren.

Erst Ende November wird man sehen, ob besonders gefährdete, ältere Menschen ebenso sicher sind. Die Tests jedenfalls umfassten Patien­t*in­nen bis zu 85 Jahren mit teilweise chronischen Krankheiten wie HIV oder Hepatitis C. Weiterhin offen: ob der Impfstoff auch verhindert, dass das Virus weiter übertragen wird. Bion­tech erklärte am Dienstag, das lasse sich erst in den nächsten sechs bis zwölf Monaten klären.

In Brüssel rechnet man offenbar nicht damit, dass der Impfstoff noch in diesem Jahr zugelassen wird, wie mehrere Agenturen schrieben. Selbst wenn es also ab Januar losgehen kann und, wie am Montag vom Deutschen Ethikrat empfohlen, medizinisches Personal, Lehrer*innen und Risikogruppen zuerst immunisiert werden: Bis wirklich die für die Herdenimmunität nötigen 70 Prozent der Bevölkerung ein Vakzin bekommen haben, kann es lange dauern.

Was ist mit den ärmeren Ländern?

Rein rechnerisch wären das 58 Millionen Menschen, selbst bei 300.000 Impfungen am Tag würde es also fast 200 Tage dauern, bis dieser Wert erreicht ist.

Die große, offene Frage ist zudem noch: Wie schnell werden Entwicklungsländer die Impfung bekommen? Pfizer schreibt, man sei mit Unicef und der Gates-Stiftung im Gespräch, um Dosen der sogenannten Covax-Einrichtung zur Verfügung zu stellen, ein Programm mehrerer Organisationen, um Impfstoffe ärmeren Ländern zugänglich zu machen.

Doch die Organisation ONE kritisiert: Noch gebe es keine Preisnachlässe für gemeinnützige Organisationen, keine Verpflichtung, Impfstoffe an Unicef zu liefern – und der Vorstand habe sich nicht für eine weltweit faire Verteilung eingesetzt.

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