Fake News in Zeiten der Pandemie: Gerücht hinter der Maske
Nein, „Querdenken“ verteilt keinen falschen Mund-Nasen-Schutz an Schulen. Nach viel Wirbel zeigt sich: Die Nachricht war wohl als Fake lanciert.
„Zugeordnet werden die Pläne einer Initiative aus dem Lager der Bewegung ‚Querdenken‘“, schrieb am Mittwoch das Hamburger Abendblatt. Hinweise auf die Aktion hatten demnach „auf verschiedenen Wegen“ die örtliche Schulbehörde erreicht. Dagegen tun lasse sich aber nur auf den Schulgeländen selbst etwas, nicht im öffentlichen Raum.
Tags darauf erzählte das Magazin Focus die Sache überregional nach, auch die Bildungsseite „News4teachers“ berichtete über die Verteilaktion – zudem von Lehrer*innen, die „von Maskengegnern“ per Strafanzeige bedroht würden.
Noch früher, am 29. Oktober, hatte die Neue Osnabrücker Zeitung gefragt: „Planen Corona-Skeptiker großangelegte Geheim-Aktion vor unseren Schulen?“ – unter Hinweis auf die Stuttgarter Initiative „Querdenken 711“, gewissermaßen die Dachorganisation der Coronaskepsis hierzulande. Und noch weiter ging der Kölner Express: In einem – am Freitag nicht mehr abrufbaren Artikel – berichtete das Blatt, „Querdenken“ plane perfiden Protest.
Dementi aus Stuttgart
Spätestens da sah sich die Organisation zum Dementi veranlasst: Am Donnerstag erklärte „Querdenken 711“, keine Maskenverteilung vorzuhaben: „Bei der Aktion handelt es sich um einen Test unserer Kommunikationsstrukturen. Wir werden immer wieder vor einer Unterwanderung gewarnt, der wir aktiv begegnen und mit Audits entgegenwirken.“
Ein wenig verwirrend formuliert: Hatte nun eine „Unterwanderung“ stattgefunden, also irgendwer im Namen der Initiative mobilisiert – aber nicht in ihrem Sinne? Oder hatte man die eigenen Strukturen getestet? Aber wozu? Anfragen der taz blieben am Freitag unbeantwortet.
Dafür kam eine neue Pressemitteilung aus Stuttgart, Überschrieben: „Wie sich Fakenews verselbständigten“. Darin erklärte „Querdenken 711“: „Wir bestehen dabei hier gegenüber den Medien, die die Fakenews verbreitet haben, um nachträgliche Richtigstellung nach Ziffer 3 des Pressekodex.“
Die entsprechende Passage hat die „Richtigstellung“ zum Gegenstand: „Veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, insbesondere personenbezogener Art, die sich nachträglich als falsch erweisen, hat das Publikationsorgan, das sie gebracht hat, unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig zu stellen.“
Anspielung auf deutsche Diktaturen
Dass die am Ende unbestätigten Nachrichten über die angebliche Maskenaktion sich zunächst hielten und verbreiteten, das dürfte mehrere Gründe gehabt haben. Da ist etwa das so aufgeladene Datum: Der 9. November erinnert sowohl an den Mauerfall unnd die friedliche Wende in der DDR wie auch an die „Reichspogromnacht“ 1938. An beide deutschen Diktaturen ist auch auf „Querdenken“- und anderen gegen die Coronapolitik gerichteten Demos schon erinnert worden.
Mal stellte man sich in eine Reihe mit den Bürgerrechtler*innen von 1989 (und rückte die Bundesregierung in die Nähe des SED-Regimes), mal spielte man an auf die nationalsozialistische Verfolgung jüdischer und anderer Menschen, die sich heute vermeintlich wiederholen soll.
Schulen sind durchaus Ziel von Corona-Leugner*innen
Dass Kinder gezielt Gegenstand einer gegen die aktuelle Coronapolitik gerichteten Kampagne werden, wäre kein völliges Neuland. „Wir unterstützen Familien im Umgang mit den Maßnahmen der Coronaschutzverordnungen“, erklärt etwa die im Mai 2020 gegründete Intiative „ElternStehenAuf“ – „in der Auseinandersetzung mit Institutionen ihrer Kinder und im öffentlichen Leben.“
Und es ist noch gar nicht lange her, da bedrohten Maskengegner*innen den Vorsitzenden des schleswig-holsteinischen Landeselternbeirats – wegen einer Umfrage zur Maskenpflicht in Schulen. Nicht zuletzt erzählt die ganze Sache etwas übers Diskursklima die Pandemie betreffend und die Maßnahmen zu ihrer Bekämpfung: Da traut man einander inzwischen offenbar einiges zu, auch Allerschlimmstes.
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