: Jute war gestern
Hersteller veganer Kleidung versuchen sich im Spagat zwischen schnelllebigen Modetrends und Nachhaltigkeit. Wer sich konsequent vegan kleiden will, muss weder auf Qualität noch auf stylischen Schick verzichten
Von Cordula Rode
Veganismus beschränkt sich nicht auf den Esstisch – denn Tierleid beschränkt sich nicht auf die Produktion von Lebensmitteln. Den Weg zum fleisch-, eier- und milchlosen Einkauf in Lederschuhen oder Wollpullover antreten? Vegan konsequente Konsumenten wollen das vermeiden. Nicht jeder tierische Bestandteil in unserer Kleidung aber ist so leicht zu erkennen wie Wolle oder Pelz.
Hat das Leinenhemd Knöpfe aus Perlmutt oder Horn? Enthalten die Schuhe einen Kleber, der aus Knochenresten und Tierhäuten hergestellt wird? Verstecken sich Daunen im Innenfutter oder ziert die Jeans aus „reiner Baumwolle“ vielleicht ein Patch aus echtem Leder? Und noch komplizierter wird es, wenn die Regenkleidung mit Bienenwachs imprägniert ist oder das Shirt in Cochenillerot leuchtet, einem Farbstoff, der aus Schildläusen hergestellt wird. Konsequente Kennzeichnungspflicht ist bei Kleidung Fehlanzeige.
Zahlreiche Hersteller haben den Bedarf an veganer Kleidung erkannt und bieten Kollektionen an, die garantiert frei von tierischen Bestandteilen sind. Auch die Kölner Firma Lanius, die Damenoberbekleidung anbietet, hat diesen Trend schon vor einigen Jahren aufgegriffen. „Wir haben seit der Gründung vor mehr als 20 Jahren auf Naturtextilien gesetzt“, erzählt Katharina Ley, die bei Lanius die Öffentlichkeitsarbeit leitet. Wolle, Seide und Leder aus streng kontrollierter Herstellung verschafften dem Label schnell eine treue Stammkundschaft. 2015 erkannte man dann die Zeichen der Zeit: „Wir bekamen immer häufiger Anfragen nach rein veganen Kleidungsstücken.“ Inzwischen beträgt der Anteil veganer Mode, je nach Saison, zwischen 40 und 80 Prozent des Gesamtangebotes. Dabei orientiert sich der Style der hochwertigen Kleidung, die die Zielgruppe ab 30 Jahren anspricht, an den aktuellen Trends. Schnelle Wegwerfmode aber ist das selbstverständlich nicht, wie Katharina Ley ganz klar formuliert: „Die Zukunft der Mode ist nachhaltig!“
Dabei setzt Lanius, wie der Großteil der anderen Anbieter veganer Mode, auf das Label der Tierschutzorganisation Peta. Seit 2013 vergibt man dort nach strengen Richtlinien das „Peta Approved Vegan“-Label. „Es gibt kein offizielles staatliches Siegel“, erläutert Frank Schmidt vom Marketing-Team. „Unser Label soll deshalb Verbrauchern Orientierung geben und Anbietern helfen, sich zu positionieren.“ Das Label ist produktbasiert: Manche Firmen bieten ausschließlich vegane Kollektionen an, andere, wie zum Beispiel Esprit und Boss, setzen auf einzelne vegane Produkte. Dabei sind die Kriterien streng – Bewerber müssen Bestätigungen der Lieferanten über die Zusammensetzung der Materialien einreichen und Lieferketten nachweisen. Bestehen Zweifel, werden auch mal Proben im Labor untersucht.
Um Wolle, Leder und andere Materialien zu ersetzen, ohne auf den Tragekomfort dieser tierischen Materialien zu verzichten, gibt es zahlreiche Alternativen.
Ein echter Alleskönner ist dabei die Lyocell- oder Tencel-Faser, die aus dem natürlichen Rohstoff Eukalyptusholz hergestellt wird, das aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt. Das Herstellungsverfahren ist frei von toxischen Lösungsmitteln und verbraucht wenig Wasser und Energie. Zudem ist die Faser biologisch abbaubar und leicht zu recyceln. Je nach Verarbeitung kann die Faser Wolle, Seide und sogar Wildleder imitieren.
Leder kann inzwischen leicht ersetzt werden durch pflanzliche Alternativen wie Ananas-, Apfel- und Kakteenleder. Auch aus dem Kombuchapilz und Kork lassen sich Materialien herstellen, die die Eigenschaften echten Leders aufweisen.
Vorsicht ist geboten bei rein synthetischen Materialien. Zwar ersetzen sie tierische Naturfasern oft ohne Abstriche beim Tragekomfort. In den meisten Fällen aber sind sie biologisch nicht abbaubar. Die Herstellung verbraucht sehr viel Energie, manche Stoffe, wie Polyacryl, setzen bei jeder Wäsche Mikroplastik frei. Auch Recycling ist bei vielen Kunstfasern schwierig.
In Kooperation mit Universitäten arbeitet Peta auch an neuen Untersuchungsverfahren, um zum Beispiel tierische Farbstoffe nachzuweisen, die Lieferanten manchmal, auch aus Unwissenheit, unterschlagen. Peta hilft bei der Suche nach alternativen Materialien. Obwohl die Organisation keinen Gewinn damit erzielt, sondern nur die eigenen Unkosten deckt, entstehen den Firmen durch die umfassende Beratung und Prüfung natürlich Kosten.
Hochwertige und sorgfältig geprüfte Materialien sind eben nicht zum Discountpreis erhältlich. Bedenkt man, dass ein Großteil der Veganer der jungen Generation angehört, stellt sich die Frage, wie man geringes Budget mit hohen Ansprüchen in Einklang bringen kann. Damals selbst noch Studenten, gründeten die beiden Hamburger Robert Diekmann und Jan Thelen bereits 2010 ihr Unternehmen recolution. Und setzten dabei von Anfang an ausschließlich auf vegane Mode – Streetwear für die junge urbane Generation. „Am Anfang wurden wir belächelt“, erinnert sich Robert Diekmann. „Damals dachten die meisten Menschen bei den Begriffen vegan und ökologisch korrekt an Jutesack und Birkenstock.“
Mit diesen Vorurteilen räumte das junge Team schnell auf. Heute beliefert recolution zahlreiche Händler und hat sich mit dem eigenen Online-Shop längst etabliert. Und hier weiß man auch um die finanzielle Situation junger Menschen: „Wir bieten einen Studenten-Rabatt an“, erzählt Robert Diekmann. 15 Prozent Preisnachlass machen die hochwertigen Kleidungsstücke erschwinglich. Und auch den Spagat zwischen modischen Ansprüchen und Nachhaltigkeit hat man bei recolution geschafft – der Stil ist schlicht und zeitlos, ohne langweilig zu sein. So sind die Farben aufeinander folgender Kollektionen stets kombinierbar, und die Designer folgen nicht jedem modischen Trend. Nachhaltigkeit gehört auch bei recolution zu den wichtigsten Werten. „Manchmal fährt jemand auf dem Fahrrad an mir vorbei, der einen Pulli oder eine Jacke aus einer Kollektion trägt, die schon mehrere Jahre alt ist“, freut sich der Firmengründer. „Und dann weiß ich, dass wir es richtig gemacht haben.“
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