: Amsterdam
Toleranz-Tour
Amsterdam ist handlich für Touristen. Alle Highlights liegen in einem Radius, den man bequem erlaufen und in eigener Regie erkunden kann. Wer allerdings abseits der touristischen Trampelpfade verborgene Orte kennen lernen und hinter Kulissen und Fassaden schauen möchte, bucht am besten eine Führung. Zum Beispiel bei Reinhold Bertleins Agentur Art & Tulipani. Der Journalist und Soziologe bietet unter anderem eine Toleranz-Tour – einen Stadtspaziergang, der die Flüchtlinge, die Amsterdam mit geprägt haben, zum Inhalt hat: von René Descartes und Comenius bis zu den deutschen Emigranten in den 1930er-Jahren. Thema ist auch die Atmosphäre in der Handelsstadt, die lange das Zusammenleben der Menschen aus vielen Ländern begünstigt hat. Seit dem rassistischen Mord an dem Filmemacher Theo van Gogh werden Touren zur multikulturellen Gesellschaft verstärkt von ausländischen Reisegruppen nachgefragt. Kulturtourismus ist im Kommen. Weil im Kulturtourismus Immaterielles produziert werde, behauptet der Deutsche Reinhold Bertlein, Erlebnisse, Atmosphäre, Unvorhergesehenes, Denkanregungen. Bertlein verknüpft aktuelle Ausstellungen mit passenden Orten, gibt eine Prise Sinnliches hinzu (den Besuch eines speziellen Kaffeehauses, eines Restaurants) und schneidert so ein anregendes Programm fürs Publikum. Die Menschen in der individualisierten Gesellschaft seien auf der Suche nach neuen Ritualen, sagt Bertlein. Statt mit der Familie sprachlos bei Kuchen und Kaffee zu sitzen, werde zu einem Event geladen. Gemeinsam Spaß haben, gemeinsam etwas unternehmen – ein wachsender Markt. Einheimische gehen auf Erkundungsreise in der eigenen Stadt. Außerdem sei die Nachfrage nach Kulturexkursionen bei Pensionären gestiegen, hat Reinhold Bertlein festgestellt. Arti & Tulipani organisiert auch Bildungsurlaub für deutsche Träger, denn die niederländische Gesellschaft hat einiges zu bieten an Inspiration. Zum Beispiel im Umgang mit Drogen. Oder hier könnte, wer wollte, schauen, wie eine Linkspartei funktioniert: Die D 66 gibt es schon seit 30 Jahren.
Gunda Schwantje
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