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Ökonomie im deutsch-dänischen Grenzland„Deutlicher Aufholbedarf“

Das Institut für Weltwirtschaft überlegt, warum der Norden Schleswig-Holsteins ökonomisch abgehängt ist und schlägt eine Kooperation mit Jütland vor.

Sollte mehr verbinden als trennen: Grenzübergang zu Dänemark Foto: Carsten Rehder/dpa

Hamburg taz | Schleswig-Holstein ist abgehängt. Wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IFW) in einer am Dienstag veröffentlichten Studie darstellt, hat das nördlichste Bundesland vom wirtschaftlichen Wachstum der vergangenen 30 Jahre weniger profitiert als die übrigen Bundesländer im Durchschnitt. Besonders stark ist der Effekt in der Grenzregion zu Dänemark. Dabei dürfte die Grenze doch gar keine Rolle spielen – schließlich liegt sie mitten in der EU.

„In den 1990er Jahren lag die Wirtschaftsleistung pro Kopf in den Flächenländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein noch nahe am Bundesdurchschnitt, sie verloren jedoch seitdem sukzessive an Boden“, sagte IFW-Präsident Gabriel Felbermayr bei der Vorstellung der Studie „Industrielle Strukturen und Potentiale im Norden“. Insbesondere Schleswig-Holstein habe mittlerweile einen deutlichen Aufholbedarf.

Wie die Kieler Forscher zeigen, war mit dem einheitlichen europäischen Wirtschaftsraum die Hoffnung verbunden, dass die Grenzregionen wirtschaftlich aufholen würden. Weil Grenzen Hindernisse für das Wirtschaften darstellten, schrecken sie Unternehmer von einer Ansiedlung ab. Durch deren Wegfall hätten die bisherigen Grenzregionen aufblühen müssen.

„Seit drei Jahrzehnten, also seit der Geburt der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, warte ich auf eine Bestätigung der Theorie in der regionalpolitischen Wirklichkeit“, schrieb Herbert Giersch schon 1988 in einem Diskussionsbeitrag für das IFW. „Mit bloßem Auge jedenfalls ist dieser Effekt kaum sichtbar“.

An der Peripherie

Die deutsche Wirtschaft ist in den Jahren 2000 bis 2019 um durchschnittlich 1,3 Prozent pro Jahr gewachsen, die schleswig-holsteinische „nur“ um 1,1 Prozent.

Bundesweit liegt der Anteil des Verarbeitenden Gewerbes bei 21,6 Prozent der Bruttowertschöpfung, in Schleswig-Holstein nur bei 14,6 Prozent.

Schleswig‐Holsteins Anteil an der deutschen Industrie liegt im Bereich von zwei Prozent. Syddanmark kommt auf einen Anteil von 27 Prozent der dänischen Industriebeschäftigten und auf 24 Prozent der industriellen Bruttowertschöpfung

Dänemarks.

Auch die Vollendung des Europäischen Binnenmarkts scheint an dieser „Grenzöde“ wenig geändert zu haben, zumindest auf der deutschen Seite der Grenze. Denn Süddänemark scheint durchaus vom Binnenmarkt zu profitieren. Die Forscher erklären sich das mit der Nähe zu den großen Märkten südlich der deutschen Grenze.In Süddänemark liege der Anteil der Industrie an der Bruttowertschöpfung mehr als vier Prozentpunkte höher als in Schleswig-Holstein insgesamt.

„Der Kontrast könnte an der deutsch-dänischen Grenze auffälliger kaum sein“, sagt Klaus Schrader, Autor der Studie. Dabei gibt es innerhalb Schleswig-Holsteins ein weiteres Gefälle zwischen der Grenzregion und dem Speckgürtel Hamburgs.

Mit der Geographie alleine wollen Schrader und sein Co- Autor Claus-Friedrich Laaser die dänisch-schleswigischen Unterschiede aber nicht erklären: Die Investitionsbedingungen seien in Dänemark besser als in Deutschland. Einem Index der Weltbank zufolge reicht das von der Unternehmensgründung über Baugenehmigungen, das Registrieren von Eigentum und den Schutz von Minderheitsinvestoren bis hin zum Aufwand bei der Steuererklärung und beim Außenhandel.

Schrader und Laaser schlagen eine Zusammenarbeit Schleswigs mit Süddänemark vor. Auch Jütland müsse daran ein Interesse haben: „Letztendlich ist auch das verarbeitende Gewerbe in Jütland von überschaubarer Größe und bewegt sich eher in schleswig-holsteinischen Dimensionen“, schreiben die Autoren. Zudem drohe Jütland unter der Anziehungskraft der Hauptstadt Kopenhagen zu leiden.

Beide Seiten könnten gemeinsam „kritische Massen“ in bestimmten Industriebereichen bilden. Eignen würden sich die Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln, der Maschinenbau sowie die Herstellung von Metallerzeugnissen.

Darüber hinaus regen Schrader und Laaser an, die vielen Hochschulen, Fachhochschulen und Fachschulen an beiden Seiten der Grenze sollten stärker zusammenarbeiten. Sowohl die Ausbildung als auch der Arbeitsmarkt sollten grenzübergreifend organisiert werden, damit der Aufschwung nicht am fehlenden Personal scheitert.

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