: Bühne frei für Rat und Tat
Im Förderkatapult können sich Darsteller*innen darüber beraten lassen, wie sie an Fördermittel kommen. Die Organisator*innen haben das Projekt in Rekordzeit umgesetzt – aus der Not heraus
VonLotta Drügemöller
Es ist Geld zu holen in der Kulturszene – und ein möglichst großer Batzen davon soll auch nach Bremen fließen. Seit Kurzem unterstützt das „Förderkatapult“ Darstellende Künstler*innen dabei, Förderanträge zu stellen und so von Corona-Hilfsmitteln zu profitieren.
„Antragsberatung: Tanz“ heißt es im Programm, oder „Das 1x1 der Finanzierungspläne“ – alles kostenfrei, vor Ort oder online. Dass diese Workshops des Landesverbands Freie Darstellende Künste (LAFDK) überhaupt existieren, ist ein Wahnsinn, der sich vermittelt, wenn man einige Wochen zurückspult: Referent*innen, ein Programm, den Veranstaltungsort – nichts davon gab es Ende September. Das Förderkatapult existierte nicht mal als Idee.
Am 1. Oktober stellte der Bund sein Förderprogramm für den „Neustart Kultur“ vor. Eine Milliarde Euro werden an die coronabedingt notleidende Kulturbranche vergeben, 65 Millionen davon für Darstellende Künste. Ein Recherchestipendium etwa soll Künstler*innen Zeit zur Weiterentwicklung von Themen und Figuren verschaffen. „Das ist eine echte Chance für eine Professionalisierung der Szene“, findet Frederieke Behrens aus dem Vorstand des LAFDK.
Aber: „Künstler sind Künstler“, sagt Behrens. Anträge zu stellen, gehöre nicht unbedingt zu ihrem Kerngeschäft. Wörtlich über Nacht entwickelten Behrens und Tobias Pflug vom LAFDK nach Bekanntgabe der Programme die Idee zum Förderkatapult; innerhalb einer Woche konnten sie mithilfe der Zwischenzeitzentrale einen Veranstaltungsort anmieten – schon am 9. Oktober bezogen sie die zwei Stockwerke an der Bahnhofstraße 36.
Übers Wochenende wurde eingerichtet, mit Podesten aus dem Schlachthof, einer Kaffeemaschine aus dem Theaterkontor, mit Hilfe, die die ganze Bremer Theaterszene über Whatsapp organisierte. Referent*innen mussten eingeladen werden, „jede freie Minute habe ich telefoniert“, erzählt Behrens. Am 12. Oktober, nur elf Tage nach der ersten Idee, wurde das Förderkatapult mit Vorträgen eröffnet. „Als wir Montagmorgen aufgemacht haben, waren gleich 15 Leute da, und haben sich ins WLAN eingewählt“, erzählt Behrens.
Die Eile war geboten, denn für große Teile des Förderprogramms läuft die Bewerbungsfrist bereits Ende des Monats aus. Dazu kommt: Förderungen werden nach dem Windhundprinzip vergeben. Wenn das Geld vor Fristende weg ist, ist es eben weg.
In der Antragsmanufaktur im ersten Stock sind Arbeitsplätze eingerichtet, Künstler*innen lesen gegenseitig ihre Anträge Korrektur – ist das, was man geschrieben hat, verständlich genug? „Bisher dachten alle, die anderen wissen Bescheid, wie’s läuft“, sagt Tobias Seiler vom AMS!-Theater. „Hier ist auch mal die Stimmung für dumme Fragen.“ Er arbeitet weiter – noch am Abend will er abgeben.
Malou Bentz, Ansprechpartnerin beim Förderkatapult
Wer Zeit hat, kann im Erdgeschoss den „Boulevard zum Mitmachen“ durchlaufen: Auf einer Deutschlandkarte haben die Darsteller*innen markiert, wo sie auftreten; ein Netz zeigt, wer wen alles kennt; und an einer Station entscheiden die Künstler*innen, welche Arbeitsbedingungen sie sich selbst gern geben würden. Zur Belohnung gibt’s Klebesternchen und einen Tanzspiegel – man ist bei Künstlern.
Der Boulevard ist Spielerei – und mehr als das. Förderanträge bestehen nicht aus Formularen zum Ankreuzen: Die Künstler*innen müssen mit Texten und Videos erklären, wohin sie wollen. „Ich merke gerade, wie schwer das ist“, sagt Deborah von Teubern. Die Klinikclownin und Performerin bewirbt sich auf ein Recherchestipendium, es ist ihr erster Förderantrag überhaupt. Zwei ihrer Figuren will sie weiterentwickeln, sie sollen mehr Aggressionen zeigen, feministischer werden – doch wie fasst man das für die Förderjury in Worte? „Ich bin krass dankbar, dass ich hier Hilfe bekomme“, so von Teubern.
„Dieser Ort hier ist nicht einfach nice to have“, betont Malou Bentz, die an diesem Freitag als Ansprechpartnerin vor Ort ist. „Viele sind gerade total überfordert – wir brauchen das hier.“
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