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Hamburger HaushaltsentwurfMal richtig Miese machen

Der Senat legt einen „Corona-Doppelhaushalt“ vor: Trotz Einnahmeflaute sind Rekordausgaben geplant. Milliarden-Kredite sollen aufgenommen werden.

Trotz Rekorddefizit gibt es in Hamburg Geld für neue Fahrradwege Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

Hamburg taz | „Wir werden nicht in die Krise hineinsparen“, sagt Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und gibt damit den Kurs vor, trotz „dramatischer Steuereinbrüche“ bei den Ausgaben der Stadt noch eine Schippe draufzulegen. „Krise bewältigen, Wirtschaft stabilisieren, Regierungsprogramm umsetzen“, lauten die Eckpfeiler der Haushaltsphilosophie von Finanzsenator Andreas Dressel (SPD).

So plant der Hamburger Senat in seinem am Mittwoch vorgelegten Haushaltsplanentwurf für die beiden kommenden Jahre mit Rekordausgaben von knapp 18,1 (2021) und 17,6 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2020 gibt Hamburg trotz der Corona-Konjunkturprogramme nur rund 17,3 Milliarden Euro aus.

Das führt dazu, dass von Sparprogrammen keine Rede ist. Alles was geplant war, wird finanziert. Für den Ausbau der Radwege gibt es pro Jahr sogar noch einmal 40 Millionen Euro obendrauf. Vor allem die Investitionen – etwa in den Schul- oder Straßenbau, die energetische Gebäudesanierung und das Gesundheitssystem – sollen steigen, um die marode Wirtschaft anzukurbeln.

Mit insgesamt rund fünf Milliarden Euro Steuerausfall von 2020 bis 2024 rechnet der Senat – Geld, das er sich auf dem Kapitalmarkt leiht. Drei Milliarden Euro sogenannter Notstandskredite nimmt Hamburg bis 2021 auf, dazu kommen noch milliardenschwere „Konjunkturkredite“. Insgesamt plant der Senat für 2021 und 2022 eine Kreditaufnahme von 4,11 Milliarden Euro.

Krise bewältigen, Wirtschaft stabilisieren, Regierungs-Programm umsetzen.

Finanzsenator Andreas Dressel (SPD)

Die Schuldenbremse sieht solche Kredite in Krisenzeiten ausdrücklich vor, doch spätestens ab 2025 müssen diese über rund 20 Jahre zurückgezahlt werden. Die Tilgung der Altschulden, mit der Hamburg zuletzt begonnen hatte, wird solange ausgesetzt.

Das Problem: Ist die Konjunktur nicht bis 2025 wieder vollständig angesprungen und der Steuererlös mindestens wieder auf Vor-Corona-Stand, sind Sparprogramme und Ausgabenkürzungen unerlässlich. Der rot-grüne Senat rechnet frühestens für 2023 mit einer Erholung der besonders betroffenen Bereiche Luft- und Schifffahrt, Tourismus, Kultur, Sport und Gastronomie – also dann, wenn Hamburg keine Kredite mehr aufnehmen kann und es im Haushalt allmählich eng wird.

Ob aber etwa die Fertigungszahlen bei Airbus und die Abfertigungen am Airport je wieder den Stand von 2019 erreichen, ist fraglich. Die Auswirkungen der Pandemie seien „stärker und längerfristiger“ als bislang angenommen, beklagt Finanzsenator Dressel.

Der CDU geht die Schuldenaufnahme zu weit, sie fordert Sparmaßnahmen und eine Verwendung von Coronakrediten nur für Maßnahmen, die unmittelbar mit den Pandemie-Folgen zu tun haben. „Offenbar sollen zahlreiche längerfristige Projekte und Ausgabewünsche mit den Notkrediten finanziert werden, deren Einsatz ausschließlich für Corona-Mehrbedarfe zulässig ist“, mäkelt der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Thilo Kleibauer am Haushaltsplanentwurf herum.

Der Chef des Bundes der Steuerzahler Hamburg, Lorenz Palte, fordert ebenfalls weniger Ausgaben: „Bürgermeister Tschentscher sollte sich damit auseinandersetzen, wo in den nächsten Jahren Einsparungen möglich sind.“

Die Linke hingegen würde gern noch mehr Kohle raushauen. „Die Rettungsmaßnahmen für Kleinunternehmen, Soloselbständige und die Gas­tronomie sind weiterhin unzureichend und auch bei den Investitionen des Klimaplans zeigt der Senat wenig Mut“, kritisiert deren Haushaltsexperte David Stoop.

Wegen Corona ist Hamburg mit seinem Doppelhaushalt spät dran. Der jetzt beschlossene Rahmen muss noch konkretisiert und in eine Drucksache gegossen werden, bevor er Ende des Jahres der Bürgerschaft vorgelegt wird. Die soll sich im Januar erstmals mit dem Doppelhaushalt befassen und nach den üblichen Haushaltsberatungen im Juni beschließen.

In den fünf haushaltslosen Monaten muss die Bürgerschaft den Senat zu einer „vorläufigen Haushaltsführung“ ermächtigen, damit dieser Geld ausgeben darf. Angesichts der großen rot-grünen Mehrheit im Parlament dürfte das aber kein Problem sein.

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