Massenproteste in Thailand: Flashmob-Taktik gegen die Monarchie
Die junge Generation in Thailand demonstriert weiter gegen das Regime, trotz Gewalt. Die unhierarchische Struktur der Bewegung nutzt ihr dabei.
Sie machen weiter auf Twitter mobil: Am Sonntag wurden Uhrzeit und Orte der nächsten Kundgebungen in Bangkok genannt – kurzfristig, um dem Regime keine Gelegenheit für weitere Repressionen zu bieten. Die „Flash Mob“-Taktik ist die Reaktion auf den gewaltsamen Einsatz der Polizei vom Freitagabend, als die Beamten mit Wasserwerfern gegen etwa 2.000 Demonstrierende an einer Kreuzung vorgegangen waren.
Durch Inkrafttreten des Corona-Ausnahmezustands habe die Polizei grünes Licht erhalten, um ungestraft Rechtsverletzungen zu begehen, kritisierte Human Rights Watch. Auch andere Menschenrechtsorganisationen monierten, der seit Donnerstag verschärfte Notstand wegen Corona diene dem Regime als Deckmantel, um kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Der Unmut über die staatlich angewandte Gewalt verschafft den Anliegen der jungen Generation auch in Provinzen außerhalb Bangkoks weiteren Zulauf. In der Hauptstadt selbst schwoll die Zahl der Protestierenden trotz Versammlungsverbots an Knotenpunkten wie der „Asok“-Kreuzung oder dem Kreisverkehr am „Victory Monument“ weiter an.
Viele hielten Porträtfotos verhafteter Aktivistinnen und Aktivisten hoch: Laut Medienberichten vom Samstagabend war darunter Panupong „Mike“ Jadnok, der als einer der wenigen führenden Köpfe der Bewegung noch auf freiem Fuß gewesen war.
Autofahrer ließen die Scheiben herunter und zeigten aus Solidarität den Drei-Finger-Gruß: Dieser ist entlehnt aus der Blockbuster-Reihe „Die Tribute von Panem“ und gilt in Thailand seit dem vom damaligen Armeechef Prayuth Chan-ocha angeführten Putsch 2014 als Zeichen des Widerstands gegen die Willkürherrschaft.
Die „Flash-Mob“-Taktik hatte sich schon am Samstag bewährt, als die Behörden sämtliche Stationen des Bangkoker „Skytrain“ und wichtige U-Bahn-Linien dichtmachen ließen. Damit wollten sie verhindern, dass sich die Protestierenden neu formieren. Doch diese scherten sich nicht darum: Zum wiederholten Mal forderten sie eine Reform der Monarchie sowie den Rücktritt von Premierminister und Ex-Putschist Prayuth, was dieser weiter ablehnt. In Wort und Schrift machten sie deutlich, dass sie sich von Repressionen nicht einschüchtern ließen: An heruntergelassenen Gittern wie an der Skytrain-Station „Asok“ prangten Zettel mit Sprüchen wie „You Fucked With The Wrong Generation“ (In etwa: „Ihr habt es euch mit der falschen Generation verscherzt“).
Wie Öl ins Feuer dürfte zudem eine am Freitag ausgestrahlte Rede des Königs gewirkt haben, der gerade auf einer seiner seltenen Stippvisiten im Lande ist: Zu den Protesten nahm der unpopuläre Vajiralongkorn nicht direkt Stellung, sondern betonte stattdessen, Thailand brauche Menschen, die das Land und die Monarchie liebten.
Erneut bewies der als charakterlich unberechenbar geltende Monarch damit, dass er sich weder um das Wohl seiner Landsleute noch um Menschenrechte oder Demokratie schert. Somit unterscheidet sich der 68-Jährige in nichts vom Prayuth-Regime und dessen reaktionären Verbündeten aus Armee, Bürokratie und Justiz.
Reaktion aus dem Bundestag
Kürzlich wurde im Deutschen Bundestag in Berlin Bezug auf die Proteste sowie auf den Status des samt Hofstaat meist in Bayern residierenden Monarchen genommen. Auf eine Frage des Grünen-Abgeordneten Frithjof Schmidt erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas: „Wir haben deutlich gemacht, dass Politik, die das Land Thailand betrifft, nicht von deutschem Boden aus zu erfolgen hat.“
Es war die Monarchie, die Thailands Regime als Vorwand diente, den seit März geltenden „Coronanotstand“ zu verschärfen: Einer Gruppe Demonstranten wird vorgeworfen, sie habe einen Wagen der königlichen Autokolonne, in dem Königin Suthida und ihr Stiefsohn Prinz Dipangkorn saßen, blockiert.
Zwei Aktivisten werden gar beschuldigt, die Königin gefährdet zu haben. Ihnen droht lebenslange Haft. Abgesehen davon, dass die Polizei nicht bekannt gegeben hatte, dass eine Autokolonne des Palastes passieren würde, hatte Bunkueanun „Francis“ Paothong, einer der Beschuldigten, zur Ruhe aufgerufen. Weitere Augenzeugen bestätigten, der Wagen sei weder blockiert noch attackiert worden.
Unterdessen beschwor die verhaftete Studentin Panusaya Sithijirawattanakul, die am 10. August zehn Forderungen zur Reform der Monarchie verlesen hatte, den Kampf für Demokratie fortzusetzen: „Tatsächlich sind wir immer bei euch, ich gebe meine Hoffnungen und meinen Geist an euch weiter“, hieß es in ihrem Appell an ihre Mitstreiter, den die studentische Gruppe United Front of Thammasat and Demonstration in den sozialen Medien veröffentlichte. Ihre „mobile“ Bewegung sei nun eine ohne Anführerinnen und Anführer, bekräftigten die Demonstrierenden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!