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kinotipp der wocheRealitäten und Visionen

Der Filmhistoriker Jan Gympel hat im Zeughauskino eine Reihe versammelt, die eine Filmgeschichte von Perspektiven und Projektionen auf Berlin versammelt

Foto: Montgomery Clift als Cornell Borchers in „The Big Lift“ (1959). Der Film läuft am Samstag um 18 Uhr im Zeughauskino Foto: Wikimedia Commons/ 20th Century Fox

Kinoabend auf Hickam Field, einer US-Luftwaffenbasis im Pazifik. Die Soldaten der Lufttransporteinheit sehen Bilder der Berliner Blockade. Emotionen kommen jedoch erst auf, als die Wochenschau das Thema wechselt und junge Frauen im Badeanzug zeigt. Ein Teil der Arbeit wird verlegt, nach Berlin, zur Luftbrücke. George Seatons „The Big Lift“ blickt wenige Monate nach dem Ende der Berliner Luftbrücke zurück auf die logistische Leistung der Luftbrücke und das Verhältnis der US-Truppen zur deutschen Bevölkerung.

Seaton entfaltet die rückblickende Dokumentation entlang einer Spielhandlung um die Beziehungen zweier US-Soldaten zu ihren deutschen Freundinnen. Die Spielhandlung zeugt vom allmählichen Übergang der Vorsicht, die wenige Jahre zuvor noch in den Filmen herrschte, mit denen die US Army ihre Soldaten auf ihre Zeit in Deutschland vorbereitete: „Ihr seid in Feindesland. Seid wachsam, vorsichtig gegenüber jedem, geht keine Risiken ein. Ihr habt es mit der deutschen Geschichte zu tun.“ So zwiespältig der Blick auf die deutsche Bevölkerung in „The Big Lift“ ist (nicht zufällig lief der Film erst Jahre später in Berliner Kinos), so sehr ist diese Zwiespältigkeit schon ein Schritt in Richtung der Realitäten der Nachkriegszeit und des Kalten Kriegs.

Im Rückblick ist „The Big Lift“ jedoch weniger für seine Handlung interessant als für die Bilder Berlins. Schon der Anflug über die Neuköllner Wohnblöcke auf den Flughafen Tempelhof, der unterdessen Geschichte ist. „The Big Lift“ läuft am Samstag als Teil einer Reihe des Berliner Zeughauskino zu internationalen Blicken auf Berlin.

Der Filmhistoriker Jan Gympel hat in dieser Werkschau eine Filmgeschichte von Perspektiven und Projektionen auf die Stadt versammelt. Unter ihnen auch das futuristische Musical „The Apple“ (1980) des israelisch-amerikanischen Produzenten Menahem Golan sowie H. Bruce Humberstones „Charlie Chan at the Olympics“ von 1937. Fabian Tietke

Berlin International: 1. Oktober bis 21. November 2020, Zeughauskino im Deutschen Historischen Museum, Unter den Linden 2

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