Jasmin Ramadan Einfach gesagt: Der Superlativ der Raupe
Hoffentlich krepiert er dran“, schreibt eine Freundin in die Gruppe im Handy.
„Endlich schreibt es mal eine.“
„Ich wünsche niemandem den Tod.“
„Warum nicht?“
„Aus Prinzip.“
„Was für ein Prinzip?“
„Man kann nicht gegen die Todesstrafe sein und Trump den Tod wünschen.“
„Stimmt, ist ein bisschen wie imaginierte Selbstjustiz.“
„Trump ist für die Todesstrafe und ihm ist auch sonst egal, wer draufgeht und warum, solang er seine Interessen verfolgen kann.“
„Gott verzeiht allen.“
„Wer ist denn überhaupt dieser Gott?“
„Keine Ahnung, das ist so ein Riesenverschwörungsmythending.“
„Ja, ein wahnsinnig erfolgreiches, trotz eklatantem Mangel an Logik und Beweisen.“
„Also Leute, da muss aber was dran sein, Gott hat nämlich einen Twitter-Account, allerdings auf Englisch als God.“
„Den müssen wir ernst nehmen: Aktuell 6.194.939 Follower.“
„Das ist ja lahm. Trump hat mehr.“
„Und was schreibt Gott so?“
„Warte … dass Trump Atemprobleme hat und … ah, vor acht Stunden schrieb er: ‚Sometimes dying is an exit strategy‘… und er schreibt, er hat Trump Corona gesendet, weil er der schlimmste human on earth ist.“
„Gott ist wohl immerhin eher links, aber auch ein einfach gestrickter Charakter, es ist frustrierend!“
„Wieso einfach gestrickt?“
„Er benutzt den Superlativ!“
„Und das ist eine Charakterschwäche?“
„Natürlich, wer den Superlativ nötig hat, um zu überzeugen, ist schwach, wichtigtuerisch und meistens auch ein Lügner, zumindest ein Blender.“
„Ja, wie diese Typen, die immer darüber labern, wo es den besten Espresso Hamburgs gibt.“
„Die haben eben sonst nicht viel im Kopf zum Verkünden.“
„Stärke braucht keine Übertreibungen.“
„Wer stark ist, lebt im Positiv!“
„Hä?“
„Die Grundform des Adjektivs.“
„Aber das Leben besteht ja nicht nur aus Adjektiven.“
„Und das ist auch gut so.“
„Apropos gut, es gibt nicht das Schlechte, den einen Schlechten – und wenn der weg ist, ist alles wieder gut.“
„Sind wir jetzt wieder bei Trump?“
„Dabei, dass es der Welt auch nichts bringt, wenn Trump abnippelt.“
„Darum geht es dabei doch auch nicht!“
„Worum dann?“
„Sehnsucht nach Gerechtigkeit.“
„Befriedigung von Rachefantasien.“
„Durch den Tod eines Einzigen?“
„Ey, Leute, ich hatte eine harte Woche mit verdammt viel Arbeit, ich will nicht mehr an Trump denken und auch nicht an Corona.“
„Dann denk doch an Schmetterlinge.“
„Wieso Schmetterlinge?“
„Sie machen mich immer froh!“
„Und sie waren mal Raupen. Raupen sind großartig, der Gedanke an Raupen und Schmetterlinge wärmt mein Herz, da hat Gott mal was richtig gemacht.“
„Auf Twitter hat ein Typ geschrieben, er war auf einer Hochzeit und die Schmetterlinge, die nach dem Ja-Wort fliegen sollten, sind alle in der Kiste gestorben, weil die Braut so spät dran war und die Brautjungfern haben das Paar dann damit beworfen.“
„Das ist mit das Traurigste, das ich je gehört habe.“
„Ja, jetzt bin ich richtig deprimiert.“
„Schmetterlinge dürfen nie sterben.“
„Nein, Schmetterlinge nicht.“
Jasmin Ramadan ist Schriftstellerin in Hamburg. Ihr letzter Roman „Hotel Jasmin“ ist im Tropen/Klett-Cotta Verlag erschienen. Sie war für den diesjährigen Bachmann-Preis nominiert. In der taz verdichtet sie im Zwei-Wochen-Takt tatsächlich Erlebtes literarisch.
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