: I Wanna Be Loved By You
KRIMI Mit „Who Killed Marilyn“ ist Gérald Hustache-Mathieu eine schräge kleine Komödie gelungen, in der es um den Tod einer Dorfschönheit geht, die sich für die Reinkarnation der Monroe hielt
VON WILFRIED HIPPEN
Überlege es dir gut, ob du das Leben einer Legende kopieren willst, sonst könnte dir auch ihr Tod blühen. Neben all den Elvisen und Michael Jacksons da draußen gilt diese Warnung auch ein paar Imitatorinnen von Marilyn Monroe und im Kern erzählt Gérald Hustache-Mathieu solch eine Geschichte über eine von ihnen.
Die Dorfschönheit Candice Lecoeur lebte in Mouthe, dem kältesten Ort Frankreichs direkt an der Grenze zur Schweiz, und da ist es nur konsequent, wenn ihre Leiche im tiefsten Winter auf einem Eisfeld gefunden wird. Da diese auf einem Niemandsland zwischen den beiden Ländern liegt, ist sie juristisch im Nichts gestorben und die Polizei von Mouthe hält sich nicht für zuständig für eine Untersuchung. Dies ist eine wunderbare Eröffnung für einen Kriminalroman, und es trifft sich gut, dass gerade ein Krimi-Autor im Orte ist, der zudem an einer Schreibblockade leidet und sich durch den mysteriösen Todesfall inspiriert fühlt.
Dieser Rousseau ist ein sympathischer Tölpel, den eine Erbschaft in den Ort gelockt hat, doch statt des erhofften Weingutes wurde ihm nur ein ausgestopfter Haushund vermacht. Er beginnt, den Fall zu untersuchen, findet Hinweise darauf, dass der angebliche Selbstmord nur vorgetäuscht war und bekommt die Tagebücher der Toten in die Hände.
Es gibt ein paar Verdächtige, die örtliche Polizei will offensichtlich etwas verbergen, bald bekommt er unter der Dusche im Hotel einen Stromschlag und die Handbremse seines Autos funktioniert nicht – all das kennt man zur Genüge aus hunderten von Kriminalgeschichten, und der Regisseur Gérald Hustache-Mathieu führt es entsprechend augenzwinkernd und beiläufig vor.
Diese Genrekonventionen sind für ihn nur der Rahmen, innerhalb dessen er sich mit viel Fantasie und Witz viele Freiheiten nehmen kann. So lässt er etwa die Tote im Leichenschauhaus direkt zum Publikum sprechen oder fügt eine kleine Hommage an Fellini ein, bei der er anschaulich macht, wie sehr dessen Kino vom mediterranen Klima abhängig ist, denn es macht einen großen Unterschied, ob eine nackter Mann auf einem sommerlichen Olivenbaum oder einem kargen Stamm im eisigen Winter hockt und „Ich will eine Frau“ schreit.
Der Film ist voll von solchen komischen und klug gesetzten Abschweifungen, doch Hustache-Mathieu verliert sich nicht in ihnen, weil er nie seine beiden Protagonisten aus dem Blick verliert. Beim Lesen ihrer Tagebücher wird Rousseau bald klar, dass Candice besser schreiben konnte als er. Und nicht nur deshalb rekonstruiert er immer besessener ihre Lebensgeschichte und sucht ihren Mörder.
Hustache ist besonders komisch, wenn er das Leben der Monroe als eine Dorfgeschichte nachzeichnet. Da wird aus deren erstem Mann Joe Dimaggio das ehemalige Sportass des Bezirks, ein Journalist nimmt die Rolle von Arthur Miller ein und es gibt sogar einen Präsidenten des Départements mit dem Namenskürzel JFB und dessen jüngeren Bruder. Und im zwangsläufig bescheideneren Rahmen wird Candice auch zu einer Projektionsfläche für die Sehnsüchte der sie betrachtenden Männer.
Hustache-Mathieu inszeniert einige von ihren öffentlichen Auftritten als Rückblenden, und auch wenn er dabei einige ikonografische Bilder von Marilyn Monroe nachstellt (so etwa die Pinupfotos aus ihren frühen Jahren und den „Happy Birthday“ Auftritt vor dem Präsidenten), wirken diese Sequenzen nie wie Parodien oder billige Kopien. Denn der Darstellerin Sophie Quinton gelingt es immer deutlich zu machen, welche Anstrengung es Candice kostet, sich selbst zu verleugnen, um jene zu werden, die die anderen in ihr sehen wollen. Dadurch bekommt der Film jene melancholische Tiefe, die die wirklich guten Komödien auszeichnet. Der schöne Originaltitel des Films ist übrigens „Poupoupidou“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen