Krimi „Die Behandlung“: Belgiens Trauma
Der Kriminalfall um den Kindsmörder Marc Dutroux war immer wieder Vorlage für belgische Krimis. Der Kinofilm „Die Behandlung“ knüpft daran an.
Im Oktober 1996 gingen, die Zahlen schwanken, zwei bis drei Prozent der belgischen Bevölkerung auf die Straße. Sie protestierten in Brüssel gegen das Verhalten der Behörden in der Strafsache Dutroux – ein Kriminalfall, der das Land zutiefst erschütterte: Der Berufsverbrecher Marc Dutroux, seine Frau und eine ungewisse Anzahl von Komplizen entführten Kinder und junge Frauen, missbrauchten sie für pornografische Aufnahmen. Mehrere Opfer starben oder wurden getötet.
Dutroux behauptete stets, namhafte Hintermänner gehabt zu haben. Der Soziopath gilt als notorischer Prahler. Was damals dennoch viele verunsicherte: Über zwanzig Zeug*innen und Ermittler*innen verschwanden oder starben im Zuge der Affäre eines unnatürlichen Todes. Ein engagierter Ermittlungsrichter wurde unter fadenscheinigen Vorwänden entlassen.
Ob latent oder unverstellt – der Argwohn, der alle Teile der belgischen Gesellschaft erfasste, bestimmt viele belgische TV- und Kinoproduktionen. „Belgischer Noir“ ist keine Modeerscheinung, sondern Ausdruck des Kollektivbewusstseins.
Bereits 2001 nahmen die Autor*innen der Serie „Dunkle Wasser“ („Stille Waters“) Bezug auf die Dutroux-Affäre. Trotz internationaler Auszeichnungen wurde die vom WDR ausgestrahlte Serie kaum besprochen – Fernsehserien waren noch nicht en vogue.
Es folgten Serien wie „Code 37“ und „Salamander“, in denen Ermittler*innen auf verschwörerische Gemeinschaften aus Bankiers, Wirtschaftsführern, Politikern, Angehörigen des Königshauses treffen. 2008 erschien „Vermist“ in der es unter anderem um vermisste Kinder ging.
Zum Team von „Vermist“ gehörte der Regisseur Hans Herbots. 2014 verfilmte er „Die Behandlung“ als Kinothriller. Die Romanvorlage stammt von der britischen Krimiautorin Mo Hayder, die einen Hang zum Monströsen hat. Ihr 2001 erschienenes Buch beginnt in Südlondon, aber wenn der Drehbuchautor Carl Joos die Geschichte für den Film nach Flandern verlegt, scheint es, als wäre sie von vornherein so gedacht gewesen.
Auf den Ermittler Nick Cafmeyer und seine Kolleg*innen wartet ein belastender Fall. Eine Familie wurde entführt, gefesselt, in einer besudelten Umgebung gefangengehalten. Den kleinen Sohn hat der flüchtende Täter mitgenommen – für Cafmeyer ein Déjà-vu: Als Kind musste er hilflos mitansehen, wie sein Bruder von einem Pädophilen entführt wurde. Cafmeyer glaubt an eine Verbindung und ist sich sicher, dass es weitere Verbrechen geben wird.