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Olympisches Doping-ManagementNachtest für Lukaschenko!

Viele Dopingproben werden erst Jahre nach den Spielen analysiert. So lange es läuft, fällt kaum ein Schatten auf das Hochglanzevent Olympia.

Wanderplakette: Juri Bilonog (m.) musste sein Olympiagold von 2004 an Adam Nelson (l.) abgeben Foto: Chai v.d. Laage/imago

D ie Olympischen Sommerspiele von Athen waren besonders, weil das Event den Mythos antiker Wettkämpfe zitierte. Die Neuauflage im Jahr 2004 produzierte aber auch die meisten Dopingfälle in der olympischen Geschichte: 17. Danach ging es wieder hinunter auf im Schnitt 8 Fälle pro Großereignis. Genau genommen hatten die Spiele von Athen sogar 22 – entdeckte – Dopingfälle.

Fünf Athleten wurden erst viel später erwischt. Ihr Urin war eingefroren worden. Darauf hoffend, dass die Methoden zur Analyse genauer werden, kamen viele Proben in die Gefriertruhe. Seit der Schockfrostung der Sportlerspenden hat das IOC ein Dopingproblem, das bisweilen auf unschöne Weise einen Grauschleier über die bunten Bilder des Sportfestes legt, quasi ausgelagert und in die Zukunft datiert.

Gerade erst wurde der türkische Gewichtheber Erol Bilgin vom Komitee sanktioniert. Dem 1,59 Meter kleinen und damals nicht mal 62 Kilogramm schweren Heber wurde sein achter Platz bei den Sommerspielen 2012 in London aberkannt. Der mehrmalige Europameister hatte Oral-Turinabol und Stanozolol genommen, Muskelmastmittel. Acht Jahre mussten also vergehen, damit aus einer fast vergessenen Pinkelprobe ein Fall wurde.

Er führte wenigstens nicht dazu, dass wieder mal die Medaillen wie Wanderpokale von einem zum anderen weitergereicht werden mussten. Manchmal steht erst knapp neun Jahre später fest, wer wirklich gewonnen hat. 2004 wurde der Ukrainer Juri Bilonog Olympiasieger im Kugelstoßen. Gut acht Jahre durfte Bilonog sich über sein Olympiagold freuen – 2013 musste er seine ergaunerte Plakette an den US-Amerikaner Adam Nelson abgeben; so erging es bei der Nachtest-Premiere auch jeweils zwei Athleten aus Russland und Weißrussland.

Olympische Pordukthygiene

Seitdem gehört der in Pressemitteilungen nach und nach bekannt gemachte Medaillenreigen zu den Sportmeldungen, die im Wust der Ereignisse untergehen. Es ist hygienischer für das Produkt Olympia, wenn es nicht in der Zeit der Mustermesse beschädigt wird, sondern später erst in verträglichen Dosen die Wahrheit über die andere Seite des Spitzensports verabreicht wird. Das outgesourcte Dopingproblem ist gar nicht mal so klein: 138 sogenannte Nachtests waren bei den Sommerspielen bisher positiv.

In den Gefrierproben wurden also Wachstumshormone, Epo oder Steroide gefunden. 13 Wintersportler wurden nachträglich erwischt. Die Ergebnisse von Rio de Janeiro und Pyeongchang stehen freilich noch aus. Bemerkenswert ist, dass ein olympisches Dopingproblem fast ausschließlich im ehemaligen Ostblock zu bestehen scheint. Russland, Weißrussland und Kasachstan, Armenien, Aserbaidschan, Georgien oder die Ukraine beherrschen das Tableau der Übeltäter zu 85 Prozent, und da sind die Fälle aus China und Albanien noch nicht einmal mitgerechnet.

Allein Weißrussland taucht 22-mal in der schwarzen Liste auf, und wenn man sich das anschaut, ist es von der Evidenz der Zahlen nicht weit zu einer naheliegenden These: Autokratische Staaten ermöglichen Doping unter herrschaftlicher Duldung und/oder Mittäterschaft. Der Betrug hat in diesen Ländern System. In Weißrussland sind Sport und Politik ohnehin eng verbandelt.

Diktator Alexander Lukaschenko zeichnet als Chef des Nationalen Olympischen Komitees verantwortlich. Einst saß er einer Rado, einer Regionalen Antidoping-Organisation vor. Und olympisch dekoriert ist er auch. Das Europäische Olympische Komitee hat Lukaschenko 2008 einen Ehrenpreis wegen „herausragender Verdienste für die Olympische Bewegung“ verliehen. Das schreit nach einem Nachtest.

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