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Sarradsch zum Rücktritt bereit

Im Osten Libyens ist die Gegenregierung bereits zurückgetreten. Nun will auch der Chef der international anerkannten Regierung in Tripolis den Weg freimachen für eine gemeinsame Regierung für das Land

Von Mirco Keilberth, Tunis

Der Chef der libyschen Einheitsregierung in Tripolis, Fajis al-Sarradsch, hat sich zum Rücktritt bereiterklärt. Sarradsch sagte am Mittwochabend, es sei sein „ehrlicher Wunsch“, sein Amt bis spätestens Ende Oktober abzugeben, damit eine neue Regierung antreten könne, auf die sich die Konfliktparteien einigen. Die libysche Gegenregierung mit Sitz im nordostlibyschen Bengasi war bereits am Sonntag zurückgetreten.

Seit Wochen hatten Gerüchte über die Rücktrittsabsichten die Runde gemacht. Sarradschs international anerkannte Regierung steht wie auch die Gegenregierung unter Druck. Die mit den Regierungen verbündeten bewaffneten Gruppen setzen ihre Forderungen nach Macht und Geld immer wieder auch mit der Waffe durch. Doch von dem Abfluss öffentlicher Gelder an die Milizen haben viele Bürger genug.

Nach einem mündlich ausgerufenen Waffenstillstand zwischen den ost- und westlibyschen Kriegsparteien war es in Tripolis und mehreren ostlibyschen Städten zu heftigen Protesten gegen Strom- und Wasserausfälle sowie gegen Korruption gekommen. Nachdem dann Jugendliche am Sonntag das Parlament in Bengasi angezündet hatten, hatte der ostlibysche Regierungschef Abdullah al-Thini seinen Rücktritt angeboten. Das Parlament prüft den Antrag.

In Tripolis hatten zwei Wochen zuvor Milizionäre auf Demonstranten geschossen. Sarradsch hatte daraufhin seinen aus der Hafenstadt Misrata stammenden Innenminister Fathi Bashaga entlassen, ihn später aber wiedereingesetzt.

Auch von seinem Bündnispartner, der Türkei, wurde Sarradsch unter Druck gesetzt. Durch seine Unterzeichnung eines militärischen Beistandspaktes mit Ankara Ende letzten Jahres hatte er zwar die Eroberung von Tripolis durch die Truppen des in Ostlibyen tonangebenden Generals Chalifa Haftar verhindert. Der Preis war aber die Aufnahme von mehreren Tausend syrischen Kämpfern sowie zahlreiche Geldzahlungen nach Ankara.

Sarradsch war 2015 eigentlich nur für zwei Jahre eingesetzt worden, doch trotz fehlender Zustimmung des Parlaments blieb er im Amt. Wenige Stunden nach seiner Rückzugsankündigung am Mittwoch meldeten mehrere Politiker den Anspruch auf dessen Position an. Bashaga und der von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützte Arif Nayed werden als Nachfolger gehandelt. Doch auch die westlibyschen Milizen oder sogar Hafter selbst könnten das von den beiden Regierungen hinterlassene Machtvakuum füllen.

In den vergangenen Wochen hatten sich Vertreter der Konfliktparteien in der Schweiz und in Marokko getroffen, um den Krieg zu beenden. Sarradsch sprach nun von einer „neuen Phase“, in der die Institutionen des Landes vereinigt und Wahlen vorbereitet werden sollten. Im Oktober sollen in Genf Gespräche unter Leitung der Vereinten Nationen über einen Nachfolger und Neuwahlen stattfinden. (mit Agenturen)

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