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Aktzeichnung mit Hund

Tiere und Pflanzen, und was die Menschen mit ihnen zu tun haben, war Thema eines „Interspecies Evening“ in der Ruine der Franziskaner-Klosterkirche

Von Helmut Höge

Am vergangenen Donnerstag fand in der Ruine der Franziskaner-Klosterkirche in Mitte ein „Interspecies Evening“ statt, ein den Tieren und Pflanzen gewidmetes Kunstereignis, das sich am nächsten Tag im Bärenzwinger am Märkischen Museum fortsetzte. Beide „Locations“ werden im Rahmen eines Netzwerkes von Kunstorten in Mitte, Wedding und Moabit bespielt, das die belarussische Aktivistin Marina Naprushkina geknüpft hat. Einer der Organisatoren, der auf einer südafrikanischen Farm aufwuchs, erzählte mir Erlebnisse mit Speikobras, schwarzen Mambas und Puffottern.

Den künstlerischen Anfang machte – dort, wo früher der Altar stand, Nschotschi Haslinger mit einer Seidenraupen-Performance: Mit einem der Raupe nachempfundenen weißen Schlafsackkostüm, in das die Künstlerin schlüpfte, um einige typische Bewegungen von Seidenraupen nachzumachen. Dabei ließ sie jedoch deren Fressakte weg, das Fadenausscheiden deutete sie nur an. Ihre von Scheinwerfern angestrahlten Bewegungen wurden musikalisch untermalt von zwei Trommlern des Shi Kollektivs. Danach kroch sie aus ihrer Raupenhülle wie aus einem Kokon.

Zwar hatte das durchaus etwas Schmetterlingshaftes, sie verzichtete dabei jedoch klugerweise auf aufwendig herzustellende Flügel. Der Theateregisseur René Pollesch hatte bereits 2008 in einem Darwin-Stück eine Raupe auf die Bühne gebracht, sie war sehr viel größer als die von Haslinger, mit mehreren Künstlern gefüllt und giftgrün.

In der Mitte der Klosterruine hatte man ein schwarzes Zelt aufgebaut. In diesem zeichnete die amerikanische Künstlerin Zoé Claire Miller nackte Frauen zusammen mit ihrer Pflanze oder ihrem Hund. Ihrer Tätigkeit gab sie den Titel „In Nude with Pets/plants“. Wer weder ein Tier noch eine Pflanze mitgebracht hatte, der lieh Miller ihren Hund. Das Aktzeichnen fand im geschlossenen Zelt statt, die Blätter hängte die Künstlerin draußen auf. Eine Frau saß mit ihren Kindern Modell. Trotz der Kälte machten die meisten Modelle ein fröhliches Gesicht. Auf den Bildern von ihnen kam das Interspecieshafte allerdings kaum zur Geltung, sie waren eher gewohnt anthropozentrisch.

Neben dem Zelt hatte man eine Leinwand aufgebaut. Dort zeigte die polnische Künstlerin Kinga Kielczynska, nachdem es dunkel geworden war, eine künstlerische Dokumentation: „Fight for Forest“ – von und über polnische Umweltschützer, die gegen die Abholzung des letzten europäischen Urwalds von Białowieża an der belarussischen Grenze vorgehen. Es war ein Film über Mobilisierungs- und Waldsensibilisierung.

Die Gruppe nennt sich „Camp for Forest“. Der Urwald von Białowieża war und ist die Restheimat des Wisents, aber auch aller „echten Männer“ sowie der polnischen Outlaws und Partisanen. Ferner Jagdgebiet der Könige, dann das Revier von Hermann Göring – und Ausgangspunkt der polnischen Forstwirtschaft bzw. -wissenschaft, die wiederum oft Beziehungen zu den Partisanen in ihren Wäldern unterhielt.

So gehörte zum Beispiel zu den Partisanen, die sich nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands Ende 1830 (gegen das russische Kaiserreich) und der Auflösung Polens in die Wälder von Podlasien – der Puszcza – zurückzogen, auch Emilie Plater, „eine Soldatin, aus deren Familie zu Beginn des Jahrhunderts mehrere Forstbeamte gekommen waren“. 100 Jahre später erklärte die Piłsudski-Regierung den Urwald zum polnischen „Nationalpark“. Dort fanden die ersten Gefechte zwischen Nationalökonomie und -ökologie statt! Und jetzt vielleicht die letzten.

Am Tag danach gab es im im Bärenzwinger eine Performance von Ute Waldhausen, bei der es um Papageien ging. Die Performance war angelehnt an Alvin und Mary Luciers Klassiker „I Am Sitting in a Room“. Die Künstlerin trat mit einer großen Papageienmaske auf.

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