piwik no script img

Der Verteiler

Es klingt ein wenig wie ein Witz: „Kommt ein Physiker auf ein Metal-Festival und verteilt Bibeln.“ Doch Stuart Hudgson, 46, macht genau das schon zum zweiten Mal. Vor dem Gelände von Deutschlands größtem Metal-Festival, dem Wacken Open Air (WOA), wird die Metal-Bibel kostenlos unters zumeist schwarz gekleidete Volk gebracht. Sie wird vom Verein „Bible for the Nations“ vertrieben – wie auch die Truckerbibel, die Frauenbibel und die Kickerbibel für Fußballbegeisterte. Neben dem Neuen Testament finden sich hier 128 Seiten Hochglanz-Fotos langhaariger Menschen, Lebensberichte und Interviews mit Szenegrößen.

Hodgsons Weg nach Wacken begann in Mittelengland. Er wurde in der Nähe von Manchester geboren, studierte Physik und bekam später eine Stelle in Norddeutschland. Zur Religion kam er erst als Erwachsener. „Eine Freundin meinte, dass ich gerade als Wissenschaftler offen denken sollte, auch über Religion.“ Also habe er angefangen, Gott Fragen zu stellen und zu seinem Erstaunen Antwort erhalten – in Form einer tiefen Überzeugung.

Er schloss sich der Evangelischen Freikirche im schleswig-holsteinischen Wilster an, mittlerweile ist er Gemeindeleiter. Die kleine Stadt ist nur 15 Kilometer von Wacken entfernt, was Hodgsons Verbindung zum Festival erklärt. „Metal ist nicht unbedingt meine Lieblingsmusik“, sagt er, „aber für eine Woche im Jahr bin ich gerne mittendrin.“ Die Szene gilt als wenig christlich, Neo-Heidentum ist weit verbreitet und Bands wie die diesjährigen WOA-Headliner Amon Amarth singen davon, Christen abzuschlachten und deren Kirchen anzuzünden. Davon bekommt Hodgson wenig mit. „Negative Reaktionen gibt es – aber eher selten.“ Die Leute seien freundlich und aufgeschlossen.

Die Metal-Bibel sieht eine Verbindung zwischen Kirche und Metal: Jesus sei ein „mutiger, langhaariger Rebell“ gewesen. „Er ist vor 2000 Jahren auf soziale Randgruppen zugegangen, die Botschaft war radikal“, so Hudgson. Vielleicht würde sich Jesus ja auf dem WOA wohl fühlen.  MOKO

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen