: Warum nicht in die Ferne ziehen?
STUDIUM Die westdeutschen Unis sind überlaufen, viele Bewerber fürchten Absagen. Doch es gibt noch Plätze in Ostdeutschland. Auch Holland und Österreich sind gute Adressen
■ Einen Studienplatz finden und sich informieren kann man auf www.hochschulkompass.de. Dort sind mehr als 16.000 Studiengänge gelistet.
■ Für Studienplatzklagen gibt es einerseits bei den Beratungsstellen der jeweiligen Unis einen Ansprechpartner. Andererseits findet, wer direkt mit einem Anwalt sprechen möchte, einen auf www.studienplatzklagen.com.
■ Alles übers Studieren im Osten sowie über die Hochschulinitiative der neuen Länder erfährt man auf www.studieren-in-fernost.de.
■ Wie man im Ausland studiert, erfährt man auf www.auslandsstudium.net. Dort sind unter anderem Studiengänge in den USA, Kanada, Frankreich, Spanien und Italien gelistet.
■ Wer in die Niederlande oder nach Österreich möchte, kann sich direkt auf www.studieren-in-oesterreich.de sowie www.studieren-in-holland.de schlau machen.
VON AMADEUS ULRICH
Die Bewerbungsfrist für zugangsbeschränkte Studienplätze in Deutschland ist gerade vorbei. Abiturienten warten nun auf Post von den Universitäten, und für viele werden es wohl schlechte Nachrichten: So bewarben sich zum Beispiel an der Uni-Hamburg in diesem Jahr 45.000 für ein Bachelor-Studium, doch es gibt nur rund 5200 Plätze. An vielen deutschen Hochschulen ist es ähnlich.
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) spricht von einer Bildungskatastrophe: Durch die doppelten Abiturjahrgänge steigt die Zahl der Bewerber an deutschen Unis rasant an, sodass viele mit einem normalen Abitur kaum Chancen haben, ihr Wunschfach zu studieren. Beliebte Fächer wie Medizin oder Psychologie sind meist nur für jene zugänglich, die einen Abi-Schnitt von 1,3 haben. Jüngst hat die HRK gewarnt: Bis 2015 fehlen 300.000 Studienplätze.
Was also tun, wenn nicht die Eins vorm Komma steht? Zuerst: nicht resignieren, sondern sich bei jeder Universität in Deutschland bewerben, die das gewünschte Fach anbietet – irgendwo könnte es klappen, oft gibt es Plätze im Nachrückverfahren. Und wer es sich leisten kann, der klagt. Bewerber können eine sogenannte Kapazitätsklage einreichen. Das Gericht prüft dann, ob die Hochschule mehr Studierende ausbilden könnte als angegeben. Falls dem so ist, muss sie den Kläger aufnehmen. Der Haken: Das kostet bis zu 3000 Euro.
Eine weitere Möglichkeit ist, in Ostdeutschland zu studieren. Denn aufgrund der demografischen Entwicklung fehlen dort Studenten; daher versuchen die Unis vermehrt, westdeutsche Abiturienten zu gewinnen.
Im April 2009 wurde die Kampagne „Studieren in Fernost“ gegründet, bei der sich die neuen Länder dazu verpflichten, deutlich mehr Studienanfängerplätze bereitzustellen, als es ihre eigene demografische Entwicklung erfordert. Der Nachfrageüberhang in westlichen Ländern und der steigende Mangel an Studienanfängern im Osten sollen sich ausgleichen.
Westdeutschen Abiturienten soll mit der Kampagne, an der 44 Hochschulen teilnehmen, vermittelt werden, dass die Hochschulen im Osten bestens ausgestattet sind. Ferner gibt es dort meist keine Studiengebühren und die Lebenskosten sind im Vergleich zum Westen niedrig.
„Im Osten ist man freier“, sagt Anna Linke, 27, studentische Botschafterin für die Technische Universität Cottbus. Sie befindet sich im vierten Semester des Masterstudiengangs Kultur und Technik und stammt aus Hamburg. „Ich habe meine Wahl nicht bereut.“ Während Studierende im Westen so schnell wie möglich lernen müssen, hätten sie im Osten mehr Zeit. „Klar, Cottbus ist nicht Hamburg, aber dafür zahlt man hier für ein WG-Zimmer auch nur 150 Euro.“ Für viele Fächer wie etwa Jura oder BWL kann man sich in ostdeutschen Unis sogar noch bis zum Oktober bewerben. „Die Hochschulen im Osten brauchen westdeutsche Studenten“, sagt Anna Linke. „Es ist wirklich nicht verständlich, warum sich so viele weigern, hierher zu kommen.“
Eine weitere Alternative ist das Studium im Ausland. Das ist zwar teurer, jedoch kann man dadurch seine Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt erhöhen. Viele Unternehmen fordern Flexibilität, und das suggeriert ein Studium außerhalb Deutschlands. Wer nach Österreich geht, hat zudem nicht das Problem der Sprachbarriere; ferner haben die Hochschulen dort meist keinen Numerus clausus. Manche testen in Aufnahmeprüfungen das Grundwissen.
Ein beliebtes Ziel deutscher Studenten ist Holland. Dort ist die Atmosphäre in den Hörsälen eine andere: Während man sich in Deutschland in einen riesigen Saal quetscht, findet der Unterricht dort meist in kleineren Gruppen statt. Die Hörsäle sind selten überfüllt. Die Kurssprache ist meist Englisch. Mittlerweile studieren 25.000 Deutsche im Nachbarland
So wie Melanie Schubert. Die 21-Jährige lernt seit drei Semestern Tourismus Management an der Stenden Hogesschool in Leeuwarden und ist sehr angetan. Sie kommt aus Hamburg, doch ihren gewünschten Studiengang gibt es in Deutschland meist nur an privaten Unis zu hohen Preisen. Sie bewarb sich in der Heide und in Bremerhaven – und wurde abgelehnt. „Ich bin dann zum Tag der offenen Tür nach Holland gefahren und fand’s toll!“, erinnert sie sich.
Das Studieren in Holland könne sie empfehlen, sagt Melanie. „Es ist alles sehr praktisch aufgebaut, man hat meistens Unterricht in Gruppen von zwölf Leuten.“ Es herrsche ein viel persönlicheres Verhältnis zu den Professoren als an deutschen Universitäten. „Da sitzt du ja mit 500 Studenten in einer Vorlesung.“
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