piwik no script img

Rettung fürs KlimaLockdown bringt nichts, Geld schon

Pandemie, alle bleiben zu Hause und schon ist die Sache mit dem Klimawandel gelöst? So einfach ist es nicht, zeigt nun eine Studie.

Leere Straßen während des Lockdowns bringen klimaschutzmäßig zu wenig Foto: Jeenah Moon/reuters

K lares Wasser in der Lagune von Venedig, wilde Tiere in verlassenen Innenstädten, der Ölpreis im Keller und Fluggesellschaften vor dem Ruin – manchmal macht sich bei UmweltschützerInnen klammheimliche Freude breit, wenn es um die Folgen der weltweiten Coronapandemie geht.

Jetzt aber hat ein internationales Forscherteam das mal mit Blick auf den Klimawandel näher untersucht und kommt zu der Erkenntnis: Allein für sich bringt Corona kaum etwas fürs Klima – aber die Hilfspakete für die Wirtschaft könnten einen deutlichen Fortschritt bringen.

Die Gruppe um Piers Forster von der Universität Leeds hat in einer Studie in der Zeitschrift nature climate change die gobalen Bewegungsdaten analysiert, die anonymisiert von Google und Apple zur Verfügung gestellt wurden – denn der Verkehr zeigt in der Pandemie die größten Veränderungen bei den CO2-Emissionen und der Luftverschmutzung durch Stickoxide und Schwefeldioxid.

Das Ergebnis: Von Februar bis Juni 2020 sind zwar die CO2-Emissionen zeitweise um etwa 30 Prozent eingebrochen, aber das wird durch den gleichzeitigen Rückgang der kühlenden SO2-Emissionen fast ausgeglichen. Unterm Strich bleibe bis 2030 etwa 0,01 Grad weniger Erwärmung als ohne Pandemie, während wir nur noch ein paar Jahre haben, bis wir eine globale Erwärmung von 1,5 Grad erreicht haben, ab der es wirklich gefährlich wird.

Nur Dekarbonisierung hilft wirklich

Das bringt also nicht viel. „Das globale Temperatursignal durch die kurzfristige Pandemie-Dynamik ist wahrscheinlich klein“, heißt es. „Das zeigt, dass ohne eine langfristige systemweite Dekarbonisierung der Volkswirtschaften selbst massive Veränderungen im Verhalten nur zu einer bescheidenen Reduktion der Erwärmungsrate führt.“

Allerdings, schreiben die Autoren, könnten die Billionen von Dollars, Euros und Yuan, die nun für die „grüne Erholung“ der Wirtschaft angekündigt sind, den Unterschied machen und „die Welt auf die Spur setzen, um das Temperaturziel des Pariser Abkommens in Sicht zu halten“.

Werden die Hilfsprogramme richtig investiert (in erneuerbare Energien, saubere Mobilität, andere Landwirtschaft, Renaturierung), könnten sie bis 2050 eine zusätzliche Erwärmung von 0,3 Grad verhindern. Bislang sieht es da aber noch mau aus: Von 17 untersuchten Ländern gaben bisher 13 mehr Geld für die Rettung fossiler Strukturen aus als für klimaschonende Maßnahmen, fand im Juni der “Green Stimulus Index“ der Initiative „Finance for Biodiversity“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Das coronabedingte Hygienebedürfnis hat des Weiteren bereits jetzt zu einem Umstieg vom ÖPNV ins Auto geführt., was auch langfristig wirken wird. Weniger Wege heißen dabei also nicht unbedingt weniger CO2. Fahrradwege müssten her...

  • Könnte das auch daran liegen, daß grundlegende Konzepte, Strukturen und Programme zum Umbau der Energiewirtschaft sowie elementare technische Grundvoraussetzungen dafür fehlen?



    Alles was bisher in dieser Richtung von der Politik auf den Weg gebracht wurde, ist bei Lichte betrachtet nicht mehr als als ein hilflos-planloses herumrudern in einer Sackgasse ohne Ausweg.



    Deswegen wäre es besser, die Verantwortlichen würden auf den Rat von Fachleuten hören - statt auf das Gejammer des Pöbel auf der Straße.

  • das bring genausewing...naehmlich nichts......



    10 jahre geburtenstopp wuerde etwas bringen....bevoelkerungsreduzierung ist der einzige weg...alles andere nur herumdoktorn an symptomen....

  • Und was hat es mit den kühlenden Emissionen auf sich. Was ist das? Info wäre schön. Oder sollen wir wieder glauben?

    • @APO Pluto:

      Ist eigentlich leicht erklärt. Es besteht ein Unterschied zwischen umweltschädlichen und klimaschädlichen Effekten. Dies kann - wie im Fall der Schwefeldioxid-Emissionen - zu einem Dilemma führen. Einerseits sind Schwefeldioxid-Emissionen umweltschädlich (Stichwort: Saurer Regen), auf der anderen Seite besitzen deren Schwebeteilchen (Sulfat-Aerosole) die sich in der Luft bilden, einen Kühleffekt, der durchaus hinsichtlich des Klimawandels als bedeutsam eingestuft wird. Eine Studie der Uni Yale bemisst den Anteil der Unterdrückung der Erderwärmung durch diese Aerosole auf 30%.

      Man kann also sagen, je reiner die Luft in Europa wird, desto wärmer wird die Arktis. Wie gesagt, ein Dilemma. Da die Schwefeldioxid-Emissionen jedoch zu rund 95% gefiltert werden und noch keine Ersatzstrategie zur Erwärmungsunterdrückung greift, wurden diese Emissionen bislang als Kröte geschluckt und als "eher" positiver Effekt betrachtet.

      • @Cerberus:

        Danke.

  • Jetzt nicht direkt auf das Thema eingehend, will ich trotzdem sagen, dass in der Straße auf dem Foto jemand vergessen hat, das Licht auszumachen. Auch wenn sie niemand sieht: die Reklametafel muss leuchten. Verwirrungen des Kapitalismus.