Elif Akgül: Das verstehen die Deutschen nicht
In der Zeit, in der ich für taz.gazete berichtet habe, bekam ich aus der Redaktion in Berlin einen Satz besonders häufig zu hören: „Das verstehen die Deutschen nicht.“ Das ist regelrecht zum Motto unserer Arbeit geworden. Bei jeder Zeile meiner Texte habe ich mich gefragt: „Ist das wohl auch unverständlich?“ Es war ziemlich nervenraubend, jeden Satz, den ich geschrieben hatte, in einem weiteren Absatz erklären zu müssen. So war es auch nie leicht, zum eigentlichen Punkt zu gelangen und gleichzeitig die vorgegebene Textlänge einzuhalten. Während man in der Türkei einfach „FETÖ-Prozess“ schreiben kann, muss man hier den Zusammenhang mit dem Putschversuch am 15. Juli 2016 und die verschiedenen Bündnisse der AKP der letzten Jahrzehnte erklären. Diese Umständlichkeit, die mich am Anfang so genervt hat, hat mir jedoch geholfen, einen anderen Blickwinkel zu gewinnen. Während es für mich ganz normal erschien, „Istanbul-Konvention“ oder „Paragraf 6284“ zu schreiben, ist mir beim genaueren Erläutern aufgefallen, wie wichtig diese Erklärungen sind, die dafür gedacht waren, dass „die Deutschen es verstehen“.
Wenn ich über gesellschaftliche Traumata wie das der Cumartesi Anneleri (Samstagsmütter) geschrieben habe, habe ich bemerkt, wie dieser Schmerz in der Gewaltspirale zur Normalität wird. Mir ist bewusst geworden, wie leicht wir in einer Gesellschaft, in der jeder Begriff und jede Idee politisch so aufgeladen ist, beim Sprechen und Schreiben viele Sachen hinnehmen, ohne das Gemeinte wirklich zu begreifen.
In dieser Hinsicht war die Arbeit für taz.gazete eine einzigartige Erfahrung. Sie hat uns geholfen von unseren Problemen und Krisen zu berichten, wie es ihnen gebührt. Und weil es noch so viele Geschichten gibt, die erzählt werden wollen, ist der Abschied schwierig. Ich wünsche allen tazler*innen, die Sprachrohr unserer Probleme geworden sind, alles Gute.
Übersetzung: Julia Lauenstein
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