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Landunter bei Nordsee

Seit letztem Jahr bangen die Mitarbeitenden der „Nordsee“-Zentrale in Bremerhaven um ihre Arbeitsplätze. Ein ganztägiger Warnstreik soll die Geschäftsführung nun dazu zwingen, einen Sozialtarifvertrag abzuschließen

Wie frisch ist der Fisch? Das ist jedenfalls leichter zu beantworten, als die Zukunft der Nordsee-Zentrale in Bremerhaven. Foto: Boris Roessler/dpa

VonSimone Schnase

Für den heutigen Mittwoch hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zu einem Warnstreik in der Bremerhavener Zentrale der Fisch-Schnellrestaurantkette „Nordsee“ aufgerufen. Die NGG will, dass das Unternehmen sich bereit erklärt, einen Sozialtarifvertrag zu verhandeln. Denn nach wie vor droht die Schließung der Zentrale – und der Verlust von 120 Arbeitsplätzen.

Bereits im September hatte das Unternehmen Überlegungen bestätigt, die Zentrale in eine andere Stadt zu verlegen. „Danach gab es Umstrukturierungen, Abteilungen wurden verschlankt und ungefähr 20 Stellen gestrichen“, sagt NGG-Gewerkschaftssekretär Moritz Steinberger. Über den verbliebenen KollegInnen schwebe seither das Damoklesschwert der Standortschließung: „Wegen dieser unsicheren Situation sind mehrere Mitarbeiter inzwischen freiwillig gegangen.“

Bis heute gibt es keine Entscheidung über die Zukunft der Zentrale. Eine zermürbende Situation für die Angestellten, die im Rahmen von zwei „aktiven Mittagspausen“ ihrem Unmut bereits Luft gemacht haben. Hinzu komme, sagt Steinberger, dass die bereits entlassenen Mitarbeitenden schlecht abgefunden worden seien, nämlich mit einem Abfindungsfaktor von 0,8. Ein solcher Faktor, der bei einer Betriebsänderung mit dem Betriebsrat ausgehandelt wird, bezieht sich auf ein Bruttomonatsgehalt multipliziert mit der Dauer der Beschäftigungsjahre. Faktor 0,5 beispielsweise würde also eine Abfindung in Höhe eines halben Bruttomonatsgehalts pro Beschäftigungsjahr bedeuten. „Kelogg‘s beispielsweise hat den Abfindungsfaktor 1,3 angewendet und bei Beck‘s, also bei Inbev, ist der Faktor 1,9 sogar im Tarifvertrag verankert“, sagt Steinberger.

Damit es bei einer möglichen Schließung oder einer weiteren „Verschlankung“ der Nordsee-Zentrale nicht wieder zu kurzfristigen Verhandlungen zwischen der Geschäftsführung und dem Betriebsrat kommen muss, die erneut zu schlechten Ergebnissen für die ArbeitnehmerInnen führen, fordert die NGG einen Sozialtarifvertrag, der alle Eventualitäten berücksichtigt.

„Aber Nordsee blockiert“, sagt Steinberger. Zwei Verhandlungsrunden seien damit geendet, dass Nordsee offiziell erklärt habe, nicht verhandeln zu wollen. Auf weitere Termine habe sich das Unternehmen nicht mehr eingelassen. Man habe zur Zeit keinen Verhandlungbedarf, denn es könne ja schließlich sein, dass die Zentrale gar nicht verlegt würde, habe der Geschäftsführer argumentiert. „Dabei hat er erst neulich während einer Gesamt­betriebsratsssitzung gesagt, es gebe wegen Corona akuten Handlungsbedarf. Und er hat bereits angekündigt, dass er weiter umstrukturieren wird, sollte die Zentrale in Bremerhaven bleiben.“

„Wegen der unsicheren Situation sind mehrere Mitarbeiter freiwillig gegangen“

Moritz Steinberger, NGG-­Gewerkschaftssekretär

Zumindest ein Teil der Belegschaft würde in diesem Falle ihre Stellen verlieren. Und im ungünstigsten Fall, sagt Steinberger, werde Nordsee kurzfristig eine Betriebsänderung in Form einer Verlegung der Zen­trale nach Hamburg ankündigen und die Mitarbeitenden vor die Wahl stellen, dorthin umzuziehen oder ihre Jobs zu verlieren: „Diejenigen, die nach Hamburg mitgehen, sind die jungen Leute, die ungebunden sind – und schlechtere Arbeitsverträge als die Älteren haben.“

Auf Nachfrage der taz teilt ein Sprecher von Nordsee mit, man sei „irritiert über das aggressive Verhalten der NGG“ und werde „bis Ende August gemeinsam mit dem Betriebsrat die verschiedenen Handlungsoptionen diskutieren und anschließend bewerten. Sollte dann die Möglichkeit einer Standortverlegung weiterhin in Betracht gezogen werden, wird erst dann die konkrete Ausgestaltung geprüft, die wiederum Grundlage für die finale Entscheidung sein wird.“

Sowohl die NGG als auch die Nordsee-Beschäftigten wollen in erster Linie, dass ihre Zentrale bleibt, wo sie ist. Dafür haben sie bereits im Februar einen halben Tag gestreikt. Diesmal soll‘s ein ganzer Arbeitstag werden, das gab es in der Firmengeschichte noch nie.

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