die dritte meinung: Leben zu retten ist eine menschliche Pflicht, kein Verbrechen, sagt Markus N. Beeko
Markus N. Beeko
ist Generalsekretär von Amnesty International in Deutschland
Es ist Sommer, vielerorts sind Ferien. Manch eine_n zieht es nach Italien, Spanien oder Griechenland in den Urlaub, andere direkt raus aufs Mittelmeer – um Menschenleben zu retten. Doch während die Reisebeschränkungen für Tourist_innen fallen, wird es Lebensretter_innen immer schwerer gemacht, ihre unverzichtbaren Einsätze zu fahren.
Die EU setzt seit Langem gegenüber Schutzsuchenden auf Abschottung, ignoriert menschenrechtliche Verpflichtungen und überlässt Flüchtende auf dem Mittelmeer ihrem Schicksal. Im Visier staatlicher Verfolgung und Kriminalisierung stehen immer öfter zivile Rettungsschiffe und deren Besatzungen – zuletzt jene der „Ocean Viking“. Als eine der ersten traf es die Crew der „Iuventa“. Seit dem 2. August 2017 ist das Schiff der Organisation Jugend Rettet e. V. von den italienischen Behörden beschlagnahmt.
Amnesty International in Deutschland hat zehn Besatzungsmitgliedern des Schiffes den Amnesty-Menschenrechtspreis 2020 verliehen: Weil sie Solidarität für diejenigen zeigen, die in ihren Heimatländern Opfer von Repression oder Gewalt werden. Weil sie – da wo wir versagen – Menschen in Not retten. Und weil genau deshalb noch immer gegen diese zehn Crew-Mitglieder wegen angeblicher „Beihilfe zur illegalen Einreise“ ermittelt wird. Ein Schuldspruch könnte bis zu 20 Jahre Haft und eine Geldstrafe in Höhe von 15.000 Euro je gerettetes Leben nach sich ziehen. Zur Erinnerung: Zwischen Juli 2016 und August 2017 haben die Crewmitglieder mehr als 14.000 Menschen aus Seenot gerettet – unter Wahrung internationalen Rechts.
Am Sonntag jährt sich die Festsetzung der „Iuventa“ zum dritten Mal. Die Bundesregierung, die derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, ist nun gefragt. Die Verfolgung ziviler Lebensretter_innen muss ein Ende haben, laufende Verfahren eingestellt werden. Der humanitäre Einsatz für Menschen in Not muss rechtlich als menschenrechtliche Pflicht behandelt werden. Jetzt ist Zeit, den Lebensretter_innen auf See und an Land zu helfen.
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