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Infektionen in Schlachthof bei OldenburgCorona auch bei Wiesenhof

Auch in Oldenburg gibt es Coronafälle in einem Schlachthof. Der rumänische Botschafter fordert besseren Schutz für die Beschäftigten in der Fleischindustrie.

Schlechte Arbeitsbedingungen, hohes Corona-Risiko: Schlachthof in Niedersachsen Foto: Ingo Wagner/dpa

Hannover/Wildeshausen dpa/lni | In Niedersachsen gibt es neue Fälle von Corona-Infektionen unter Schlachthof-Mitarbeitern. Betroffen ist der mehrheitlich zur PHW-Gruppe („Wiesenhof“) gehörende Schlachthof Geestland Putenspezialitäten in Wildeshausen bei Oldenburg. Dort sind nach Angaben des Unternehmens und des Landkreises vom Dienstag seit Montag 23 Mitarbeiter positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden. Die PHW-Gruppe kündigte an, in den kommenden Tagen nochmals alle mehr als 1.100 Mitarbeiter zu testen. Der Landkreis stellte die unmittelbaren Kontaktpersonen und Arbeitskollegen unter Quarantäne.

Um weitere Kontaktpersonen der Infizierten zu ermitteln, forderte der Landkreis Oldenburg Hilfe vom Landesgesundheitsamt an. Am Dienstag lag die sogenannte 7-Tages-Inzidenz für den Landkreis Oldenburg bei 1,5. Der Wert zeigt an, wie viele Neuinfektionen in den vergangenen 7 Tagen pro 100.000 Einwohner gemeldet wurden.

Die Schlachtkonzerne PHW, Tönnies und Westfleisch kündigten am Dienstag an, zum Jahresende in großem Maße auf die umstrittene Werkarbeit verzichten zu wollen. Tönnies wolle „in allen Kernbereichen der Fleischgewinnung“ bis Ende 2020 die Werkverträge abschaffen. Auch Tönnies-Konkurrenz Westfleisch aus Münster teilte mit, bis Ende des Jahres alle Mitarbeiter selbst einzustellen. Auch die PHW-Gruppe, deutscher Geflügelfleisch-Marktführer, kündigte an, ihre Werkarbeiter in „den für die Geflügelfleischerzeugung maßgeblichen Bereichen in ein festes Anstellungsverhältnis“ zu übernehmen. Demzufolge sind derzeit rund 20 Prozent der PHW-Mitarbeiter als Werkarbeiter beschäftigt.

Unterdessen haben die Kontrollen des Landes ergeben, dass es nach dem massiven Corona-Ausbruch in dem Schlachthof von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück (Kreis Gütersloh) keinen Personalaustausch zwischen den verschiedenen Schlachtbetrieben des Unternehmens gab. Hinweise auf Verstöße hätten sich nicht bestätigt, sagte die stellvertretende Leiterin des Krisenstabes der Landesregierung, Claudia Schröder. Auch sei die Wohnsituation der Werkvertragsarbeiter nicht so beengt wie im Kreis Gütersloh. Dies hätten Kontrollen der Wohnungen ergeben.

Corona-Hotspot Fleischindustrie

Die Grünen im Landtag forderten ein Ende des Werkvertragssystems. Die miserablen Wohn- und Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie entwickelten sich immer mehr zu einem gefährlichen Corona-Hotspot, sagte der wohnungspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Christian Meyer. Es sei Eile geboten, damit die überfüllten Mehrbettzimmer ein Ende hätten.

Als Folge des massenhaften Corona-Ausbruchs bei Tönnies hat die NRW-Landesregierung für die Kreise Gütersloh und Warendorf den Lockdown verkündet, was mit weitgehenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens verbunden ist. Eine Woche lang dürfen sich die Bewohner beider Kreise in der Öffentlichkeit nur noch mit Personen des eigenen Hausstands bewegen oder zu zweit. Museen, Kinos, Fitnessstudios, Hallenschwimmbäder und Bars schließen. Auch Schulen und Kitas werden in Warendorf ab Donnerstag geschlossen, in Gütersloh sind sie bereits zu. Beide NRW-Kreise grenzen unmittelbar an den Landkreis Osnabrück.

Der rumänische Botschafter in Deutschland hat mit Blick auf die jüngsten Corona-Ausbrüche mehr Schutz für seine Staatsbürger in deutschen Schlachthöfen gefordert. Die Arbeits- und Lebensbedingungen der Mitarbeiter müssten „dringend verbessert werden“, sagte der rumänische Botschafter in Berlin, Emil Hurezeanu, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). Die Kritik an den Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sei zu Recht immer heftiger geworden.

Der Botschafter betonte mit Blick auf den Corona-Ausbruch im Schlachtbetrieb Tönnies im Kreis Gütersloh: „Die Hälfte der Mitarbeiter des Unternehmens sind rumänische Staatsangehörige.“ Sein Land erwarte, dass die Bundesregierung die geplanten Gesetze zur besseren Regulierung der Branche umsetze. Notwendig seien aber auch intensivere Kontrollen vor Ort. Rumänien begrüße das Vorhaben der Bundesregierung, die Beschäftigung in Schlachtbetrieben stärker zu regulieren. Das führe „hoffentlich zu mehr Transparenz bei den Arbeitsbedingungen und zu mehr Verantwortung der Unternehmen“.

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5 Kommentare

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  • 0G
    02612 (Profil gelöscht)

    In verschiedenen Städten gibt es auch riskante Unterkünfte, dort kommen Menschen unter, die sonst vor der Obdachlosigkeit stehen würden. Die Zustände dieser Unterkünfte sind hygienisch und vom baulichen Zustand sehr fragwürdig . Panorama berichtete am 16.06. in einer Reportage zum Beispiel aus Oldenburg.

  • Die schlechten Arbeitsbedingungen, Werkverträge, alles ewig bekannt. Jetzt wo es "uns alle" betrifft melden sich die Grünen und sogar der rumänische Botschafter kommt daher.

  • Als vor ungefähr einem Monat das erste Mal ein Schlachthof betroffen war, sagte Professor Drosten in einem Radiointerview, seiner Meinung nach seien nicht die Unterkünfte oder ein großes Gedränge verantwortlich für den Ausbruch, sondern die Temperatur, die dort herrscht. In der Produktionshalle nämlich wie in einem Kühlschrank und in den Lagerräumen wie in der Tiefkühltruhe. Bei solchen Temperaturen können Coronaviren wochenlang auf allen Oberflächen überleben.

    Das macht schon Sinn meiner Meinung nach, denn auch in anderen Fabriken wird eng zusammengearbeitet.

  • Eigentlich müssten alle Bereiche mit ähnlich beengten Lebensbedingungen regelmässig getestet werden, mir fallen da noch Grossbaustellen mit Wohncontainern, grosse Agrarbetriebe, Flüchtlingswohnheime ein.

    • 0G
      02612 (Profil gelöscht)
      @Opossum:

      Es gibt auch in verschiedenen Städten fragwürdige Unterkünfte, siehe Panorama vom 16.06. z. B. Oldenburg