Musterhygieneplan der Senatsverwaltung: Kitas wollen klare Ansagen
In Berliner Kitas herrscht Unsicherheit, wie sie mit Kindern mit Erkältungssymptomen umgehen sollen. Jugendverwaltung will beim Regelwerk nachbessern.
Jakob Maske, Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte
Denn während der Coronapandemie sind viele Kita-Leitungen offenbar verunsichert, wie sie bei Erkältungssymptomen reagieren sollen: „Wir haben jeden Tag mehr Diskussionen mit Eltern, die eine Gesundschreibung für ihr Kind wollen, selbst wenn es nur einen leichten Schnupfen hatte, aber die Kita verlangt es so“, sagt der Kinderarzt Jakob Maske, Sprecher des Berliner Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. Dafür habe man aber weder Kapazitäten, noch könne man das mit den Kassen abrechnen.
Die Jugendverwaltung von Senatorin Sandra Scheeres (SPD) kündigt auf taz-Nachfrage nun an, die Hygieneverordnung für Kitas noch mal „konkreter fassen“ zu wollen. Man wolle so „ein einheitlicheres Vorgehen der Kitas“ erreichen, auf das sich die Eltern verlassen können, sagt eine Sprecherin.
Bisher gibt es im Musterhygieneplan der Senatsverwaltung für die Kitas lediglich die „Empfehlung“, dass Kinder bei „Symptomen einer Atemwegserkrankung, u. a. Fieber, Husten, Kurzatmigkeit, Abgeschlagenheit/Müdigkeit, Kopf- und Gliederschmerzen, Schnupfen, Halsschmerzen, Geruchs sowie Geschmacksstörung zu Hause bleiben“ sollten. Im Einzelfall müssen aber die Kita-Leitungen entscheiden.
Laut Kita-Förderungsgesetz kann der Träger nach „längerer Abwesenheit“ des Kindes ein Attest verlangen, ausdrücklich eine Kannregelung also, zudem noch eine schwammig formulierte. Manche Kitas regeln bei Abschluss des Betreuungsvertrags mit den Eltern aber konkret, was „längere Abwesenheit“ genau heißt und ob sie eine Gesundschreibung verlangen und für welche Krankheiten genau.
Das luftig formulierte Gesetz zeige seine Schwächen jetzt in der Coronakrise besonders eklatant und die Corona-Hygieneverordnung helfe auch nicht wirklich weiter, sagt Maria Lingens, Kita-Referentin bei der Arbeiterwohlfahrt, die insgesamt 60 Einrichtungen in Berlin betreibt. „Wir haben der Jugendverwaltung ganz dringend angeraten, sich gemeinsam mit den bezirklichen Gesundheitsämtern und der Gesundheitsverwaltung auf konkrete Vorgaben zu einigen, die den Kitas eine Handlungsorientierung geben.“
Momentan sei es so, berichtet Lingens aus den AWO-Kitas, dass die Gesundheitsämter sehr unterschiedliche Ratschläge erteilten, wenn Kitas anfragen, was denn bei einem verschnupften Kind genau zu tun sei. „Ein Amt empfiehlt, ein negatives Corona-Testergebnis zu verlangen, das nächste eine Gesundschreibung.“ Die Eltern wiederum fänden dann meist keinen Kinderarzt, der auch nur eines von beiden macht. Sinnvoll, sagen sowohl Kinderarzt Maske als auch AWO-Referentin Lingens, könne eine Formulierung in der Hygieneverordnung sein, die Kindern nach 48 Stunden Symptomlosigkeit bei Husten und Schnupfen den Kita-Besuch ausdrücklich wieder erlaubt – und zwar ohne Attest.
Aus der Jugendverwaltung heißt es, darüber werde diskutiert. In jedem Fall noch vor Beginn des neuen Kita-Jahrs im August soll es ein neue Information für die Träger geben, die sich explizit mit der Hygieneverordnung befasst.
Beim landeseigenen Träger Kindergärten NordOst heißt es, man appelliere derzeit insbesondere auch an die ArbeitgeberInnen, „den Eltern entgegenzukommen“, sagt Sprecherin Judith Frenz. Viele hätten während der Schließzeit ihre Urlaubstage bereits aufgebraucht und sähen sich nun „gezwungen, die bekannten Regeln bei erkrankten Kindern zu überdehnen“ – sprich: das Kind im Zweifel eben verschnupft in die Kita zu bringen.
Seit Anfang der Woche kann sich Kita-Personal an vier Teststellen von Charité und Vivantes kostenlos auf das Coronavirus testen lassen, auch ohne Symptome zu zeigen. Die Teststrategie des Senats soll die Kita-Öffnung flankieren – und die Kitas im Zweifel wohl auch dazu animieren, den Betrieb durch die Erkältungszeit hindurch am Laufen zu halten.
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