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Videogipfel zum BrexitAuf „Momentum“-Suche

Man wolle sich so schnell wie möglich auf die „Prinzipien“ einigen, erklären Brüssel und London. Sie sind also noch sehr weit voneinander entfernt.

Videogipfel zum Brexit: „konstruktiven Gespräche“? Foto: Henry Nicholls/reuters

Brüssel taz | Die EU und Großbritannien wollen die festgefahrenen Gespräche über ein Freihandelsabkommen intensivieren. Man wolle den Juli nutzen, um ein „neues Momentum“ zu schaffen, erklärten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Premier Boris Johnson nach einem Videogipfel am Montagnachmittag.

In den vergangenen vier Verhandlungsrunden waren beide Seiten kaum vorangekommen. Sowohl London als auch Brüssel haben vor einem „No Deal“ gewarnt und sich gegenseitig die Verantwortung in die Schuhe geschoben.

Dennoch sprechen von der Leyen und Johnson nun von „konstruktiven Gesprächen“ und danken ihren Verhandlungsführern. Im Sommer wollen sie nun aber kräftig aufs Tempo drücken. Man wolle sich so schnell wie möglich auf die „Prinzipien“ einigen, die einer Einigung zugrunde liegen sollen, heißt es in der Erklärung. Indirekt räumen beide Seiten damit ein, dass sie noch sehr weit voneinander entfernt sind.

Bisher hatte die EU-Seite stets darauf bestanden, die im Herbst 2019 beschlossene „Politische Erklärung“ zur Grundlage eines Freihandelsabkommens zu machen. Johnson will nun jedoch offenbar davon abweichen. Zuletzt hatte das Europaparlament für diesen Fall mit einem Veto gedroht.

Höherer Beitrag für Deutschland wegen Brexit

Für Verwunderung sorgte unterdessen ein Bericht der „Welt“, wonach Deutschland künftig 13 Milliarden Euro jährlich mehr an die EU zahlen soll. Das wäre ein Plus von 42 Prozent gegenüber der derzeit gezahlten Summe – und vor allem auf den Brexit zurückzuführen.

Die Zahl sei nicht neu, sagte ein EU-Diplomat in Brüssel. Allerdings werde die Debatte über das künftige EU-Budget erst am Freitag beginnen, bei einem Videogipfel der Staats- und Regierungschefs. Mit Entscheidungen wird nicht vor Juli gerechnet – erst dann gibt es verlässliche Zahlen.

Zudem dürfte Deutschland von einem neuen Beitragsrabatt profitieren, so dass der Mehrbetrag am Ende niedriger ausfallen könnte. Dies hat die EU-Kommission bereits angedeutet, um eine Einigung auf den neuen „mittelfristigen Finanzrahmen“ zu erleichtern.

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2 Kommentare

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    06438 (Profil gelöscht)

    Der Europäische Rat hebt in seinen Leitlinien vom April 2017 vier Bereiche hervor (staatliche Beihilfen und Wettbewerb, Umwelt, Arbeit und Steuern), in denen nach dem Brexit gleiche Wettbewerbsbedingungen gewahrt werden sollen:

    „Jedes FTA (Freihandelsabkommen) muss gleiche Wettbewerbsbedingungen gewährleisten, insbesondere in Bezug auf Wettbewerb und staatliche Beihilfen, und umfassen in diesem Zusammenhang Schutzmaßnahmen gegen unlautere Wettbewerbsvorteile, unter anderem durch steuerliche, soziale, ökologische und regulatorische Maßnahmen und Praktiken.“

    Der Handel nach WTO erkennt unterschiedliche Niveaus der wirtschaftlichen Entwicklung und Standards zwischen den Ländern an.

    Die WTO Regeln gelten nur für Waren, nicht für Dienstleistungen. Dies ist insofern von Bedeutung, als Dienstleistungen rund 80% des britischen BIP und 40% seiner Exporte in die EU ausmachen.

    Beispiel: Johnson wird damit beginnen die EU Standards für Nahrmittel in UK abzuschaffen - US Chlorhühnchen lassen grüssen genau so wie genmanipulierte pflanzliche Produkte, von denen niemand weiß was diese in der Natur anrichten. Derzeit ist eine 100köpfige britische Delegation in den USA die einen UK-USA FTA



    aushandelt.

    Die Dienstleistungen, die UK exportiert, sind z.B. Speicherkapazitäten in Clouds - und zwar nach neuen UK Regeln - und nicht nach EU Standards.

    Will das jemand? Seit die EU seit 2017 verhandelt ist sie hinsichtlich ihrer Grundsätze hart geblieben. Das sollte auch so bleiben - auch wenn das defacto eine feste Grenze im Kanal bedeutet.

  • „Man wolle sich so schnell wie möglich auf die „Prinzipien“ einigen, erklären Brüssel und London“



    Warum sich selbst unter Druck setzen? Ich habe da eine viel bessere Idee! Warum nicht Nägel mit Köpfen machen und den Termin gleich um - sagen wir - 100 Jahre verschieben? Dann hätten diese und die nächsten Politiker*Innen-Generationen ihre Ruhe, und was dann ist, weiß der Kuckuck. Erfahrungsgemäß wird’s auch dann erst kurz vor Ultimo „richtig losgehen“!