: local shortcuts
■ The Truth Lies In Rostock Deutschland/Großbritannien 1993, R: Mark Saunders, Siobhan Cleary / Deutsche Fassung
Die Wahrheit liegt/lügt in Rostock, wie zweideutige deutsche Titel des kaum bekannten Films lautet. „The Truth Lies in Rostock“ kam dank des alternativen britischen TV-Senders Channel 4 zustande, als Koproduktion der Videokooperative JAKO aus Rostock mit den Fernsehprofis aus London. Der Film dokumentiert ein Ereignis, das in Deutschland gerne beschwiegen wird: Das vier Tage andauernde Pogrom von Rostock-Lichtenhagen vom 20. bis 24. August 1992. Jetzt gibt es am 26. August eine antirassistische Gedenkdemo, zu der mit Filmvorführungen mobilisiert wird.
Im August 1992 belagerte eine Ansammlung von 3.000 AnwohnerInnen, Nazis und BürgerInnen der Hansestadt zwei Hochhäuser in Rostock-Lichtenhagen. In einem war die ZASt untergebracht, die „Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber“ des Bundeslandes, das Sonnenblumenhaus. Daneben lebten zu Zeiten der DDR eingereiste vietnamesische VertragsarbeiterInnen. Die ZASt war überfüllt.
Die Unmittelbarkeit, mit der sich Deutsche auf der Straße rassistisch gegen die Flüchtlinge äußern, ist drastisch. Eine heute kaum vorstellbare Offenheit, aber so kurz nach den nationalen Wiedervereinigungsfeiern wurde in Lichtenhagen Klartext geredet.
An einem Freitagabend ging es los. Langsam kamen immer AnwohnerInnen vor die Häuser. Nachdem schon in der Rostocker Ostseezeitung darüber berichtet wurde, dass im Stadtteil gewalttätige Aktionen gegen die ZASt und das Wohnhaus der VietnamesInnen im Gespräch sind, und die Stimmung immer bedrohlicher wurde, besorgten sich zwei Vietnamesen Videokameras um die Vorfälle zu dokumentieren. Ihre beklemmenden Bilder sind ein Kernstück des Films.
Die Polizei schaut bis auf ein paar kurze Platzräumungen ohne Verhaftungen tatenlos zu, als sich das rassistische Volksfest langsam steigert. Der Rostocker Polizeidirektor Sigfried Kordus, ein Westimport, erklärt im Film, er könne doch nicht auf Bürgerproteste mit behelmten Hundertschaften reagieren. Für ihn sei es eine Versammlung wie ein Lampionumzug gewesen. Nach den Sprechchören aus tausenden Kehlen „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“ wurden erste Steine geworfen und beklatscht. Dann wurden die Wohnungseinrichtungen kleingeschlagen, schließlich brannte eines der Hochhäuser lichterloh. Die Montage aus dem Videomaterial, gedreht aus den angegriffenen Häusern heraus, wird ergänzt durch Interviews mit jungen Neonazis und AnwohnerInnen, aber auch mit Verantwortlichen der Polizei und des Senates. Ein Staatsanwalt erklärt: es gäbe kein belastendes Videomaterial gegen diejenigen, die dort die Häuser angezündet hätten.GASTON KIRSCHE
Fr, 18 Uhr, Antifa Jugend Kneipe in der Schwarzen Katze, Fettstraße 23, Hamburg; So, 20 Uhr, 3001-Kino, Schanzenstraße 75, Hamburg; So, 14 Uhr, VeB in der Walli, Willy-Brandt-Allee 9, Lübeck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen