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Racial Profiling bei den Behörden„Das Selbstbild der Polizei hat Risse“

Bei den Sicherheitsbeamten regiert oft ein Dominanzgefühl, sagt der Soziologe Rafael Behr. Er spricht sich für unabhängige Beschwerdestellen aus.

Vereidigung von Polizistinnen und Polizisten. In ihrem Alltag herrscht noch oft eine Dominanzkultur. Foto: Jochen Tack/imago
Sarah Zaheer
Interview von Sarah Zaheer

taz: Herr Behr, hat die Polizei in Deutschland ein strukturelles Rassismusproblem?

Rafael Behr: Ich würde nicht sagen, dass die Polizei strukturell rassistisch ist. Aber die Weigerung der Polizei, die Vielzahl von rassistischen Fällen in den eigenen Reihen systematisch anzuschauen und Mechanismen dagegen zu schaffen – das hat eine strukturelle Dimension.

Wie kommt es zu diskriminierenden Praktiken wie Racial Profiling?

Das entspringt nicht immer einer rassistischen Haltung. Sondern aus einer Polizistenkultur, in der man immer überlegen ist und Widerstand gebrochen werden muss. Die Soziologin Birgit Rommelspacher bezeichnet das als Dominanzkultur.

Was heißt das?

Dadurch werden Kontrollpraktiken möglich, die allein darauf abzielen, Macht zu beweisen und sich Respekt zu verschaffen. Es wird nicht gefragt: Dürfen wir das? Ist das verhältnismäßig? Haben wir genug Verdachtsmomente? Stattdessen geht man nach einer Erfahrung vor, die aus einem Bauchgefühl kommt und nicht kriminalistisch begründet ist. Darunter fallen auch rassistisch motivierte Kontrollen, die nur auf Hautfarbe oder Herkunft basieren. Natürlich geht es auch anders und nicht alle handeln so, aber da lauern die Gefahren.

Wird in der Ausbildung hinreichend für Diskriminierung und Rassismus sensibilisiert?

Im Interview: 

Rafael Behr 62, Soziologe, ist Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei in Hamburg.

Es wird etwas getan, aber meines Erachtens nicht hinreichend. Man lehrt Verfassungsinhalte, aber geht oft nicht weiter und bespricht, welche Dimensionen Racial Profiling haben kann oder wann Rassismus anfängt, in Handlungen überzugehen. Und wie man prophylaktisch damit umgeht. Wenn sie Glück haben, kommen die Studierenden an Lehrkräfte, die etwas weiter gehen. In der Regel stehen die aber in der Beliebtheitsskala der Studierenden nicht ganz oben.

Warum?

Weil sie Salz in die Wunde streuen. Zeigen, dass das Selbstbild „Wir sind die Guten“ Risse hat. Das wird oft als Kränkung empfunden. In diesem Punkt ist die Polizei ein hermetisch abgeschlossenes System, das gern von seiner Unfehlbarkeit überzeugt wäre. Deswegen wird auch immer nur über Einzelfälle gesprochen und jede Kritik von außen wird als generalisiertes Misstrauen abgetan. In einer demokratischen Gesellschaft darf es aber keine Apparate geben, die nicht überprüfbar sind.

Welche Kontrollmechanismen schlagen Sie vor?

Studierende kommen meist mit einem demokratischen Bewusstsein in die Polizei. Dann gehen sie in die Praxis und erleben, dass Kritik an Kollegen nicht erwünscht oder zumindest schwer ist. Deswegen plädiere ich für einen unabhängigen Polizeibeauftragten. Eine Stelle außerhalb des Hierarchiesystems der Polizei, an die sich Beamte wenden können, wenn sie Dinge mitbekommen, die nicht rechtens sind – anonym und ohne das Risiko, ausgeschlossen zu werden. Nicht nur eine Beschwerdestelle, sondern eine machtvolle Institution mit Eingriffsbefugnis, die Akten anfordern, Gespräche initiieren, aber auch anweisen kann, Mobiltelefone sicherzustellen.

Was müsste sich in der Ausbildung und im Studium ändern?

Die politische Bildung muss verstärkt werden, gerade bei der Auseinandersetzung mit Ideologien der Ungleichwertigkeit. Das läuft nämlich auf Sparflamme. Auch sollte man konkrete Szenarien üben. Hier wären Antidiskriminierungstrainings auszubauen, auch um zu verdeutlichen, dass es so etwas wie Alltagsrassismus gibt. Drittens braucht es psychosoziale Begleitung in der Ausbildung und im Dienst, etwa durch eine kollegiale Supervision oder frühzeitige Fortbildungen.

Sie sprechen sich auch für ein Sozialpraktikum aus.

Genau. Studierende werden schnell in das Herrschaftsdenken eingebunden. Ziel wäre für mich aber, dass man lernt, sorgfältig mit seinen Machtmitteln umzugehen. Wenn man mehrere Wochen in eine Welt reinschaut, wo nicht alles so geregelt ist wie im Beamtentum, erkennt man, dass die Menschen nicht nur Probleme machen, sondern auch selbst Probleme haben. Das lernt man nicht in einer Polizeidienststelle, sondern zum Beispiel bei einer Tafel.

Kann man die deutsche Polizei mit der in den USA vergleichen?

Ich glaube, es verbietet sich, direkte Vergleiche zu ziehen. Aber es ist gefährlich, wenn wir immer nur auf die Stärkung der Polizei achten, sie immer weiter militärisch ausrüsten, ihr einen Kampfgedanken und Freund-Feind-Verhältnisse in den Kopf setzen, so wie das in den USA zu beobachten ist. Ich will keine chauvinistische Machokultur, die sich nicht mehr einfangen lässt, weil keiner Widerspruch wagt. Das wäre für unsere Demokratie eine Bankrotterklärung.

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6 Kommentare

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  • Das Problem ist doch man liest immer wieder von Vorfällen... von Demonstranten die sich an Kanaldecken fest ketten und mit gebrochenen Beinen im Krankenhaus landen. Volksfesten wo auch mal Leute von der Wache ins Krankenhaus kommen.

    von Aktionen wie bei G20 gar nicht zu reden. Oder gerichtlich festgestellten Falschaussagen...

    Da war sooo viel. Und fast nie wurde etwas gegen die Beamten unternommen.

    Oder NSU wo beweise unprofessionell zerstört wurden

    Respekt muss man nicht verdienen. Das Vorschussvertrauen nur wegen der Uniform habe ich schon lange nicht mehr!

  • Ich hoffe sehr, dass die Vorschläge eines renommierten und mit dem Innenleben der Deutschen Polizei vertrauten Fachmannes auch die Gehörgänge unseres Innenministers erreichen und in absehbarer Zeit realisiert werden. Ich denke, dass er nur auf diesem Weg das gestörte Vertrauensverhältnis kitten kann.



    Sozusagen Bürger-Polizei-Kintsugi.



    Das wäre im Übrigen als Erfahrungswert auch empfehlenswert für so etliche weitere



    deutsche Beamtenschaften...

  • Danke. Das ist alles angemessen - aber viel zu höflich formuliert.



    &



    Könnte dazu als alter Dienstrechtler noch ne ganze Latte struktureller Verwerfungen - lange Zeit Widerrufsbeamter als Disziplinierungsmechanismus usw usf anführen. Gellewelle.



    Normal

    kurz - “Wieso? - ich darf das. Ich bin doch Polizist!“ LKA-Mann auf Party zu dem gerade Aufkippen illegaler Abhörpraktiken - Weiße Bälle Meckenheim. “Das sagen die dir - wende denen sagst: Hört mal - das sind Grundrechtseingriffe!“ So geht das!



    &



    Diese ganzen Rechtsübergriffe - Newahr



    Unter “Kultur“ firmieren zu lassen.



    Haut dann endgültig dem Faß die Krone ins Gesicht. - 👹 - Nich to glöben.

    Doch. So geht das

  • Danke fürs Fotto.

    Wußt ich gar nicht!



    Mehlmützenhochwurf Goes Olympia! - 😱 -



    Kann‘s mal sehn. Genderneutral. Gell.

    • @Lowandorder:

      Ist die Ursache des Problems primär wirklich struktureller Rassismus?

      Ich bezweifele, daß ein Mensch, der im Nadelstreifenanzug durch Hamburg-Eppenheim läuft, als potentieller Dieb oder Drogendealer angesehen wird.



      Egal, welche Hautfarbe er hat.

      Wie agiert denn die Polizei, wenn es keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Hautfarbe gibt.

      Dann ist z.B. die Kleidung oder andere Merkmale, wie ungepflegte Erscheinigung, etc., etc. wichtig für die Frage, ob ein Verdacht bejaht



      wird oder nicht.

      Und letzteres ist meiner Ansicht nach das Hauptproblem. Ein sogenannter hinreichender Anfangsverdacht ist nicht genau definiert.



      Wenn ein Polizeibeamter oder z.B. auch ein Staatsanwalt für sich einen solchen hinreichenden Anfangsverdacht bejaht,



      läßt sich das Gegenteil nicht beweisen. Mit entsprechenden Konsequenzen für den Betroffenen.

      • @Schulz2020:

        Das is ja gleich ne Menge Holz für son Rentier - Richter a. D. *45

        Aber dank taz - na lesens selbst - die Frau Kollega



        “ Bloße Behauptungen



        Die Bundespolizei hatte dem Gericht Zahlen für den Bochumer Bahnhof vorgelegt. Danach gingen ein Großteil der registrierten Straftaten allerdings auf das Konto von Deutschen.



        Die Vorsitzende Richterin und Präsidentin des OVG, Riccarda Brandts, zeigte sich in der mündlichen Verhandlung überrascht. „Die bloße Behauptung, dass zum Großteil Nordafrikaner für Eigentumsdelikte verantwortlich sind, reicht nicht. Die Behörde hat eine erhöhte Darlegungslast“, sagte Brandts in der Verhandlung.



        Auch habe es sich nicht um eine illegale Einreise handeln können. „Der Kläger hat den Bahnhof ja von außen betreten. Das haben die Beamten ja gesehen“, sagte die Vorsitzende Richterin.



        Das Gericht ließ keine Revision zum Bundesverwaltungsgericht zu. Gegen diese Entscheidung kann die unterlegene Seite Beschwerde einlegen.“



        taz.de/Urteil-zu-R...rofiling/!5526751/



        &



        www.zeit.de/gesell...tswidrig-hautfarbe



        & VG Stuttgart



        www.migazin.de/201...-racial-profiling/

        Ok. Soweit mal - Das Interview is ok.